Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
nicht selten damit, daß kreischende Weiber um die Feuer des Tor tanzten, und diese Frauen hier verhielten sich ganz genauso. Sie tanzten mit geschlossenen Augen und reckten die winkenden Hände hoch zu dem weißen Dach hinauf, wo sich der Qualm der Fackeln und des brennenden Weihrauchs zu einem dichten Nebel sammelte. Einige stießen seltsame Worte hervor, andere waren in Trance und hielten den Blick starr auf die Statue der Mutter ihres Gottes gerichtet, manche wanden sich auf dem Boden, aber die meisten tanzten zum rhythmischen Gesang der drei Priester. Die Männer in der Kirche sahen meist nur zu, einige aber gesellten sich zu den Tanzenden, und die waren es auch, die als erste ihren Oberkörper entblößten und zu verknoteten Riemen griffen, um sich damit den eigenen Rücken zu peitschen. Das verwunderte mich, denn so etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen; doch meine Verwunderung verwandelte sich in Entsetzen, als einige Frauen sich den Männern anschlossen und vor ekstatischer Seligkeit kreischten, wenn sie sich den Rücken und die nackten Brüste endlich blutig gepeitscht hatten.
Arthur verabscheute das alles. »Das ist Wahnsinn«, flüsterte er uns zu, »der reine Wahnsinn!«
»Er verbreitet sich überall«, warnte ihn Culhwch finster. Eine der Frauen schlug sich mit einem Stück verrosteter Kette auf den nackten Rücken, und ihr wildes Heulen schallte durch die weite Halle aus Stein, während ihr Blut nur so auf die Bodenplatten tropfte. »So wird es die ganze Nacht weitergehen«, sagte Culhwch.
Da die Gläubigen sich langsam immer weiter nach vorn geschoben hatten und die ekstatischen Tänzerinnen umringten, blieben wir drei in unserer dunklen Nische allein. Ein Priester, der uns dort entdeckte, kam auf uns zugeeilt. »Habt Ihr das Fleisch Christi gegessen?« fragte er uns.
»Wir haben gebratene Gans gegessen«, antwortete Arthur höflich und stand auf.
Der Priester, der uns sprachlos anstarrte, erkannte Culhwch und spie ihm ins Gesicht. »Heide!« kreischte er.
»Götzendiener! Du wagst es, Gottes Tempel zu entweihen?«
Damit versetzte er Culhwch einen Schlag – aber das war ein Fehler, denn Culhwch erwiderte den Schlag mit einem mächtigen Hieb, der den Priester rückwärts zu Boden schickte. Der Zwischenfall hatte jedoch Aufmerksamkeit erregt, und bald stieg ein mächtiges Geheul von den Männern auf, die eben noch die sich geißelnden Tänzer beobachtet hatten.
»Wir sollten gehen«, sagte Arthur, also zogen wir drei uns eilig zur anderen Seite des Forums zurück, wo Culhwchs Speerkämpfer die Palastarkaden bewachten. Die Christen kamen aus ihrer Kirche geströmt, um uns zu verfolgen, aber die Speerkämpfer schlossen sich zu einem Schildwall zusammen und senkten die Klingen, so daß die Christen gar nicht erst den Versuch machten, den Palast zu stürmen.
»Kann sein, daß sie heute nacht nicht angreifen«, sagte Culhwch, »aber sie werden tagtäglich frecher.«
Arthur beobachtete die wutheulenden Christen von einem Palastfenster aus. »Was wollen die eigentlich?« fragte er verwundert. Er zog eine geziemendere Form von Religion vor. Wenn er nach Lindinis kam, nahm er stets an unseren Morgengebeten teil, für die wir vor unseren Hausgöttern niederknieten, ihnen ein Stück Brot opferten und sie um die Kraft baten, unsere täglichen Pflichten erfüllen zu können. Das war die Art Gottesdienst, die Arthur gefiel. Die Dinge, die er in der Kirche von Isca gesehen hatte, verwirrten ihn nur.
»Sie glauben«, versuchte Culhwch den Fanatismus zu erklären, dessen Zeugen wir geworden waren, »daß ihr Gott in fünf Jahren auf die Erde zurückkehrt, und sie glauben, daß es ihre Pflicht sei, die Erde auf seine Wiederkehr vorzubereiten. Die Priester sagen ihnen, die Heiden müßten ausgerottet werden, bevor ihr Gott zurückkehren könne, und predigen, daß
Dumnonia einen christlichen König brauche.«
»Sie werden Mordred bekommen«, gab Arthur ingrimmig zurück.
»Dann solltet Ihr seinen Drachenschild lieber mit einem Fisch verzieren«, riet ihm Culhwch, »denn ich sage Euch, der Fanatismus wird immer schlimmer. Früher oder später wird es Probleme geben.«
»Wir werden sie beschwichtigen«, erklärte Arthur. »Wir werden ihnen mitteilen, daß Mordred ein Christ ist. Möglicherweise beruhigen sie sich dann ein wenig. Vielleicht sollten wir ihnen ja doch diese Kirche bauen, die Sansum verlangt«, wandte er sich an mich.
»Wenn wir damit einen Aufstand verhindern – warum nicht?« gab ich
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