Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
zu stolz.«
»Offensichtlich«, bestätigte sie mißbilligend. Sie legte Rocken und Spindel hin. »Ich glaube fast, daß er zuvor Lancelot töten muß. Das würde ihn glücklich machen.«
Genau das versuchte Arthur in jenem Herbst. Er führte einen unerwarteten Angriff auf Venta, Lancelots Hauptstadt. Lancelot erhielt jedoch Kenntnis von dem Angriff und floh zu Cerdic, seinem Beschützer. Dabei nahm er Amhar und Loholt mit, Arthurs Söhne von seiner irischen Geliebten Ailleann. Die Zwillinge hatten Arthur nie verziehen, daß sie Bastarde waren, und sich mit seinen Feinden zusammengetan. Arthur konnte Lancelot nicht finden, brachte dafür aber reiche Beute in Gestalt von Getreide mit, das dringend gebraucht wurde, weil der Aufstand im Sommer natürlich unsere Ernte beeinträchtigt hatte.
Mitte des Herbstes, zwei Wochen vor Samhain und kurz nach seinem Überfall auf Venta, kam Arthur wieder nach Dun Caric. Er war noch magerer geworden, und sein Gesicht wirkte noch hohlwangiger. Er war nie ein Mann gewesen, der anderen angst machte, jetzt aber wurde er so zurückhaltend, daß niemand mehr wußte, was er dachte, und diese Zurückhaltung verlieh ihm eine geheimnisvolle Aura, während die Trauer in seiner Seele ihm eine gewisse Härte verlieh. Er war nie aufbrausend gewesen, jetzt aber fuhr er bei der geringsten Provokation sofort auf. Dabei richtete sich sein Zorn vor allem gegen ihn selbst, da er sich für einen Versager hielt. Seine beiden ältesten Söhne hatten ihn verlassen, seine Ehe war in die Brüche gegangen, und Dumnonia hatte ebenfalls versagt. Er hatte geglaubt, ein perfektes Königreich schaffen zu können, einen Hort der Gerechtigkeit, der Sicherheit und des Friedens, aber die Christen hatten das Schlachten vorgezogen. Er machte sich Vorwürfe, weil er nicht vorhergesehen hatte, was kommen würde, und nun, während der Ruhe nach dem Sturm, zweifelte er an seinem eigenen visionären Traum. »Wir müssen uns auf die kleinen Dinge beschränken, Derfel«, sagte er mir an jenem Tag. Es war ein herrlicher Herbsttag. Da der Himmel mit Wölkchen betupft war, jagten Sonnenflecken über die gelbbraune Landschaft dahin, die sich westlich von uns erstreckte. Arthur suchte ausnahmsweise nicht Ceinwyns Gesellschaft, sondern führte mich zu einem Grasflecken unmittelbar außerhalb von Dun Carics geflickter Palisade, um von dort aus düster zu dem Tor hinüberzustarren, der am Horizont aufragte: zu Ynys Wydryn, wo Guinevere weilte. »Die kleinen Dinge?« fragte ich ihn.
»Den Sieg über die Sachsen, selbstverständlich.« Er verzog das Gesicht, denn natürlich wußte er, daß ein Sieg über die Sachsen bestimmt nicht zu den kleinen Dingen zählte. »Sie weigern sich, mit uns zu verhandeln. Wenn ich Unterhändler schicke, werden sie sie töten. Das haben sie mir letzte Woche erklärt.«
»Sie?« fragte ich ihn.
»Sie«, bestätigte er grimmig und meinte damit sowohl Cerdic als auch Aelle. Normalerweise gingen sich die beiden Sachsenkönige gegenseitig an die Gurgel, eine Tatsache, die wir durch gezielte Bestechung förderten; jetzt aber hatten sie anscheinend die Lektion, die Arthur den britannischen Königreichen so gründlich erteilt hatte, ebenfalls gelernt: die Lektion, daß der Sieg nur in der Einigkeit liegt. Die beiden Sachsenherrscher vereinten ihre Streitkräfte, um Dumnonia zu vernichten, und ihr Entschluß, keine Unterhändler zu empfangen, war sowohl ein Zeichen für ihre Entschlossenheit wie auch eine Maßnahme zum Selbstschutz. Arthurs Boten brachten womöglich
Bestechungsgelder, die ihre Häuptlinge schwach werden ließen, und alle Unterhändler, so aufrichtig sie auch Frieden suchten, dienen zugleich als Spione beim Feind. Cerdic und Aelle wollten kein Risiko eingehen. Sie hatten sich vorgenommen, ihre Streitigkeiten beizulegen und sich zusammenzutun, um uns zu vernichten.
»Ich hatte gehofft, die Seuche würde sie schwächen«, sagte ich.
»Aber jetzt sind neue Männer gekommen, Derfel«, gab Arthur zurück.
»Wie wir hören, landen jeden Tag weitere Boote, und jedes Boot ist voll hungriger Seelen. Sie wissen genau, wie schwach wir sind, deswegen werden sie im nächsten Jahr zu Tausenden und Abertausenden kommen.« Arthur schien in dieser bedrückenden Vorstellung zu schwelgen. »Eine Kriegshorde! Vielleicht ist es uns bestimmt, so zu enden, Derfel. Zwei alte Freunde, Schild an Schild, niedergemacht von barbarischen Axtschwingern.«
»Man kann schlimmere Tode sterben, Lord.«
»Und bessere«,
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