Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
lang geglaubt hätte, daß er Gawains Leichnam benutzen könnte, um die Götter zurückzurufen, hätte er diese Magie niemals auf eine Schlacht verschwendet.«
»Aber die Asche hat er Nimue gebracht«, wandte ich ein.
»Gewiß«, antwortete Taliesin, »aber auch nur, weil er versprochen hatte, ihr zu helfen, und selbst Gawains Asche hätte ein wenig von der Macht des Leichnams beinhaltet. Merlin mag gewußt haben, daß er versagt hatte, doch wie alle Menschen gibt auch er seinen Traum nur widerwillig auf, und vielleicht hat er ja auch geglaubt, daß Nimues Kraft sich als wirksam erweisen würde. Was er dagegen nicht vorhersehen konnte, Lord, war das Ausmaß, in dem sie ihn mißbrauchen würde.«
»Ihn bestrafen«, berichtigte ich bitter.
Taliesin nickte. »Sie verachtet ihn, weil er versagt hat, und ist überzeugt, daß er viel Wissen vor ihr verborgen hält; und deshalb, Lord, versucht sie ihm seine Geheimnisse abzupressen. Sie weiß viel, aber sie weiß nicht alles, doch wenn meine Träume zutreffen, zieht sie sein Wissen aus ihm heraus. Es mag Monate, ja Jahre dauern, bis sie alles erfahren hat, was sie braucht, aber sie wird lernen, Lord, und wenn sie gelernt hat, wird sie diese Macht einsetzen. Und Ihr, fürchte ich, werdet sie als erster zu spüren bekommen.« Das Boot schaukelte so heftig, daß
er sich an seinen Netzen festhielt. »Merlin hat mir befohlen, Euch zu warnen, Lord, und das tue ich hiermit. Aber wovor? Das weiß ich nicht.« Er schenkte mir ein bedauerndes Lächeln.
»Vor dieser Seereise nach Dumnonia?« fragte ich ihn. Taliesin schüttelte den Kopf. »Die Gefahr, die Euch droht, ist, wie ich glaube, größer als alles, was Eure Feinde in Dumnonia planen. Diese Gefahr ist sogar so groß, Lord, daß Merlin weinte. Außerdem hat er mir gesagt, daß er sterben wolle.« Taliesin blickte zu unserem Segel auf.
»Wenn ich wüßte, wo er ist, Lord, und wenn ich die Macht dazu hätte, würde ich Euch aussenden, um ihn zu töten. Statt dessen müssen wir warten, bis Nimue sich zu erkennen gibt.«
Ich packte Hywelbanes eiskalten Griff. »Was würdet Ihr mir also raten?« wollte ich wissen.
»Es ist nicht an mir, einem Lord Ratschläge zu erteilen«, sagte Taliesin. Er wandte sich um und lächelte mir zu, und da entdeckte ich auf einmal, daß seine tiefliegenden Augen kalt waren. »Für mich, Lord, spielt es keine Rolle, ob Ihr lebt oder sterbt, denn ich bin der Sänger, und Ihr seid mein Lied. Vorerst aber – das muß ich zugeben – folge ich Euch, um Eure Melodie zu entdecken und sie, falls nötig, zu verändern. Das hat Merlin von mir verlangt, und das werde ich für ihn tun; aber ich glaube, daß er Euch vor der einen Gefahr rettet, nur um Euch einer weit größeren auszusetzen.«
»Eure Worte ergeben keinen Sinn«, sagte ich rauh.
»Das tun sie doch, Lord, nur kann keiner von uns diesen Sinn begreifen. Ich bin allerdings überzeugt, daß er uns irgendwann klar werden wird.« Er sprach gelassen, doch meine Ängste waren so grau wie die Wolken über uns und so chaotisch wie das Meer unter uns. Ich berührte Hywelbanes beruhigendes Heft, betete zu Manawydan und redete mir ein, Taliesins Warnung sei nur ein Traum, und nichts als ein Traum, und Träume könnten niemanden töten.
Aber sie können es, und sie tun es auch. Und irgendwo in Britannien, an einem finsteren Ort, verbarg Nimue den Kessel von Clyddno Eiddyn und benutzte ihn, um unsere Träume in Alpträume zu verwandeln. Balig setzte uns an einem Strand irgendwo an der dumnonischen Küste ab. Taliesin entbot mir ein fröhliches Lebwohl, dann schritt er langbeinig durch die Dünen davon. »Wißt Ihr, wohin Ihr geht?« rief ich ihm nach.
»Das werde ich wissen, sobald ich dort bin, Lord«, rief er zurück; dann war er verschwunden.
Wir legten unsere Rüstungen an. Ich hatte nicht meine beste Garnitur mitgenommen, sondern nur einen alten, aber praktischen Brustpanzer und einen ramponierten Helm. Ich hängte mir den Schild auf den Rücken, nahm meinen Speer und folgte Taliesin landeinwärts. »Wißt Ihr, wo wir sind, Lord?« fragte mich Eachern.
»So ungefähr«, antwortete ich. Durch den Regen konnte ich voraus eine Hügelkette ausmachen. »Wenn wir uns südlich davon halten, werden wir nach Dun Caric kommen.«
»Soll ich das Banner fliegen lassen, Lord?« erkundigte sich Eachern. Anstelle meines Banners mit dem Stern hatten wir Gwydres Banner mitgebracht, das Arthurs Bären in enger Verbindung mit Dumnonias Drachen zeigte, aber ich
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