Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
antwortete ich bedrückt.
»Aber der ist doch tot! Oder liegt im Sterben!«
»Er wollte, daß wir das denken«, gab ich zurück, weil mir keine andere Erklärung einfallen wollte. Taliesin hatte mich gewarnt, und nun fürchtete ich, daß der Barde recht behielt. Daß Mordred ganz und gar nicht im Sterben lag, sondern zurückgekehrt war und seine Kriegshorde auf das eigene Land losgelassen hatte. Das Gerücht von seinem Tod mußte ausgestreut worden sein, damit sich die Menschen sicher fühlten, dabei hatte er die ganze Zeit vorgehabt, zurückzukehren und jeden Speerkämpfer zu töten, der sich ihm möglicherweise entgegenstellte. Mordred warf seine Zügel ab, und das konnte nichts anderes bedeuten, als daß er nach diesem Blutbad in Dun Caric entweder nach Osten gezogen war, um Sagramor zu suchen, oder nach Süden und Westen, um Issa zu finden. Falls Issa noch am Leben war.
Es war vermutlich unsere Schuld. Als Arthur nach Mynydd Baddon die Macht abgetreten hatte, dachten wir, Dumnonia werde durch die Speere von Männern beschützt werden, die treu zu Arthur und zu seinen Überzeugungen standen, und daß Mordreds Macht eingeschränkt bleiben werde, weil er keine Speerkämpfer hatte. Keiner von uns hatte voraussehen können, daß unser König bei Mynydd Baddon Geschmack am Krieg bekommen und er in der Schlacht so erfolgreich sein würde, daß er Speerkämpfer zu seiner Fahne lockte. Jetzt verfügte Mordred über Speere, und Speere verleihen Macht, und hier sah ich die ersten Folgen der Ausübung dieser neuen Macht. Mordred säuberte das Land von den Menschen, die darauf aus gewesen waren, seine Macht einzuschränken, und die womöglich Gwydres Anspruch auf den Thron unterstützen würden.
»Was werden wir tun, Lord?« fragte mich Eachern.
»Wir kehren heim, Eachern«, antwortete ich. »Wir kehren heim.« Und mit »heim« meinte ich Siluria. Hier konnten wir ohnehin nichts mehr tun. Wir waren nur elf Mann, und ich bezweifelte, daß wir eine Chance hatten, Sagramor zu erreichen, dessen Truppen so weit im Osten lagen. Außerdem brauchte Sagramor unsere Hilfe nicht; der konnte für sich selber sorgen. Dun Carics kleine Garnison mochte leichte Beute für Mordred gewesen sein, der Kopf des Numidiers dagegen würde ihn vor eine weit schwierigere Aufgabe stellen. Aber auch Issa zu finden bestand nicht viel Hoffnung, falls Issa überhaupt noch lebte; also blieb uns nichts anderes übrig, als umgehend nach Hause zurückzukehren, von hilfloser Wut erfüllt. Es ist schwer, diese Wut zu beschreiben. In ihrem Kern steckte ein eiskalter Haß auf Mordred, aber es war ein machtloser, schmerzender Haß, denn ich wußte, daß ich nichts tun konnte, um diese Menschen, die meine Leute gewesen waren, möglichst bald zu rächen. Außerdem hatte ich das Gefühl, sie im Stich gelassen zu haben. Ich empfand Schuldgefühle, Haß, Mitleid und eine unendlich schmerzhafte Trauer.
Ich postierte einen Mann als Wache am offenen Tor, während wir übrigen die Leichen in die Halle schleppten. Am liebsten hätte ich sie verbrannt, aber es gab nicht genug Brennstoff auf dem Gelände, und wir hatten keine Zeit, das Strohdach der Halle auf die Leichen hinabzuwerfen, deswegen begnügten wir uns damit, sie alle in eine geordnete Reihe zu legen. Dann betete ich zu Mithras, damit er mir die Möglichkeit gewähre, Vergeltung zu üben. An jenem Tag hatten die Götter uns verlassen.
Der Mann am Tor hatte nicht gut aufgepaßt. Ich kann es ihm nicht übelnehmen; keiner von uns konnte einen klaren Gedanken fassen auf jener Hügelkuppe. Vermutlich hatte der Posten auf das blutgetränkte Gelände geblickt, statt nach außen hin Wache zu halten, deswegen entdeckte er die Reiter zu spät. Ich hörte ihn rufen, doch bis ich zur Halle hinauslaufen konnte, war er schon tot, und ein Reiter in dunkler Rüstung zog den Speer aus seinem Leichnam. »Packt ihn!« rief ich und wollte auf den Reiter zulaufen, von dem ich erwartete, daß er sein Pferd wendete und davonritt; statt dessen ließ er jedoch den Speer zurück und kam tiefer in das Gelände hereingeritten, während weitere Reiter ihm folgten.
»Hierher!« rief ich, und meine restlichen neun Mann versammelten sich zu einem kleinen Schildkreis um mich, obwohl die meisten von uns keine Schilde mehr zur Hand hatten, weil wir sie niedergelegt hatten, als wir die Toten in die Halle trugen. Einige von uns verfügten nicht einmal über Speere. Ich zog Hywelbane, wußte aber, daß es keine Hoffnung mehr gab, denn inzwischen
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