Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
Matrosen zu, einem sächsischen Sklaven, der bei Mynydd Baddon gefangengenommen worden war, inzwischen aber über eine britannische Frau, zwei Kinder und eine geräuschvolle Freundschaft mit Balig verfügte. »Kennt seine Boote, muß man ihm lassen«, sagte Balig von dem Sachsen; dann bückte er sich zur Heckleine hinab, die das Boot noch am Ufer festhielt. Gerade wollte er die Leine losmachen, da ertönte ein lauter Ruf, und als wir beide aufblickten, sahen wir, daß vom grasbewachsenen Hügel des Amphitheaters von Isca Taliesin zu uns herübergelaufen kam. Balig behielt die Festmacherleine in der Hand. »Wollt Ihr, daß ich warte, Lord?«
»Ja«, sagte ich und erhob mich, als Taliesin näher kam.
»Ich komme mit Euch«, rief Taliesin. »Wartet!« Er trug nichts bei sich als einen kleinen Ledersack und eine vergoldete Harfe. »Wartet!«
rief er abermals, raffte sein weißes Gewand, zog seine Schuhe aus und watete in den zähen Uferschlamm des Usk hinein.
»Wir können nicht ewig warten«, grollte Balig, während sich der Barde durch den tiefen Morast kämpfte. »Das Wasser läuft schnell ab.«
»Einen Moment! Einen Moment!« rief Taliesin. Er warf Harfe, Sack und Schuhe an Bord, raffte seine Röcke noch höher und watete ins Wasser. Balig streckte den Arm aus, packte die Hand des Barden und hievte ihn mit einem Ruck über den Dollbord. Taliesin klatschte aufs Deck, suchte Schuhe, Sack und Harfe zusammen und wrang das Wasser aus seinem Gewand. »Habt Ihr etwas dagegen, wenn ich mitkomme, Lord?« fragte er mich und rückte den Silberreif zurecht, der in seinen schwarzen Haaren verrutscht war.
»Warum sollte ich?«
»Nicht, daß ich Euch begleiten will. Ich möchte nur nach Dumnonia.«
Er prüfte, ob der Silberreif richtig saß und musterte dann stirnrunzelnd meine grinsenden Speerkämpfer. »Können diese Männer rudern?«
»Natürlich nicht«, antwortete Balig an meiner Stelle. »Es sind Speerkämpfer, die zu nichts anderem taugen. Alle zusammen, ihr Bastarde! Fertig? Vorwärts drücken! Blätter ins Wasser! Durchziehen!«
Vor gespielter Verzweiflung schüttelte er den Kopf. »Eher könnte man Schweinen das Tanzen beibringen.«
Von Isca waren es ungefähr neun Meilen bis zum offenen Meer, neun Meilen, die wir sehr schnell zurücklegten, weil unser Boot von der Ebbe und der wirbelnden Strömung getragen wurde. Der Usk floß zwischen glitzernden Schlammbänken dahin, die sich zu Brachfeldern hinaufzogen, zu kahlen Wäldern und weiten Marschen. Weidenreusen standen an den Ufern, wo Reiher und Möwen auf zappelnde Lachse einpickten, die durch das ablaufende Wasser auf dem Trockenen lagen. Rotschenkel stießen klagend Rufe aus, während Sumpfschnepfen aufstiegen und auf ihre Nester hinabstießen. Die Riemen brauchten wir fast gar nicht, denn Tide und Strömung trugen uns flink dahin, und als wir die breite Mündung erreichten, wo sich der Usk in den Severn ergoß, hißten Balig und sein Matrose ein zerlumptes braunes Segel, das den Westwind einfing und unser Boot vorwärtsschießen ließ. »Riemen einholen!« befahl er meinen Männern. Er packte das riesige Steuerruder und stand fröhlich im Heck, während das kleine Boot den stumpfen Bug in die ersten großen Wellen tauchte. »Wird ganz schön bewegt, das Wasser heute, Lord«, verkündete er munter. »Wasser putzen!« rief er meinen Speermännern zu. »Das nasse Zeug gehört nach draußen, nicht ins Boot.« Balig grinste über meine drohende Übelkeit. »Drei Stunden, Lord, mehr nicht. Dann habt Ihr wieder Land unter den Füßen.«
»Ihr mögt keine Boote?« erkundigte sich Taliesin.
»Ich hasse sie!«
»Dann dürfte ein Gebet an Manawydan die Seekrankheit heilen«, sagte er ruhig. Er hatte sich einen Haufen Fangnetze neben meine Kiste gezogen, auf denen er Platz nahm. Die heftige Bewegung des Bootes schien ihm nichts auszumachen, ja, er genoß sie offenbar. »Ich habe letzte Nacht im Amphitheater geschlafen«, erzählte er mir. »Das tue ich gern«, fuhr er fort, als er sah, daß mir zu übel war, um ihm zu antworten. »Die Sitzreihen wirken wie ein Traumturm.«
Ich warf ihm einen Blick zu. Irgendwie hatte meine Übelkeit bei seinen letzten Worten abgenommen, denn sie erinnerten mich an Merlin, der früher auf der Kuppe des Tors von Ynys Wydryn einen Traumturm besessen hatte. Merlins Traumturm war ein hohles Bauwerk aus Holz gewesen, das die Botschaften der Götter, wie er behauptete, verstärkte; daher konnte ich verstehen, daß Iscas römisches
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