Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
dämmerte, bevor der letzte Mann zu schnarchen begann. Zu dem Zeitpunkt erwachte ich bereits und hörte die Hähne auf Thunresleas Hügel krähen; ich gürtete mich mit Hywelbane, nahm Mantel und Schild und trat an der glühenden Asche der Feuer vorbei in die rauhe, frische Luft hinaus. Das Hochplateau war von Dunst eingehüllt, der sich weiter unten, wo die Themse ins Meer mündete, zu Nebel verdichtete. Von der Halle aus schlenderte ich zum Rand der Hügelkuppe, von wo aus ich in das weiße Nebelmeer über dem Fluß hinabstarrte.
»Mein Lord König«, sagte eine Stimme hinter mir, »hat mir befohlen, Euch zu töten, sobald ich Euch allein anträfe.«
Als ich mich umwandte, entdeckte ich Bors, Lancelots Cousin und Champion. »Ich schulde Euch Dank«, sagte ich.
»Wegen der Warnung vor Liofa?« Bors zuckte die Achseln, als sei die Warnung eine Bagatelle. »Er ist schnell, nicht wahr? Schnell und tödlich.« Bors trat neben mich; dabei biß er in einen Apfel, entdeckte, daß er mehlig war, und warf ihn fort. Er war auch ein großer Krieger, auch ein vernarbter, schwarzbärtiger Speerkämpfer, der in zu vielen Schildwällen gestanden und zu oft gesehen hatte, wie Freunde niedergemacht wurden. Er rülpste. »Es hat mir nichts ausgemacht zu kämpfen, damit mein Cousin auf Dumnonias Thron gelangt«, sagte er,
»aber für einen Sachsen habe ich niemals kämpfen wollen. Und ich wollte nicht zusehen, wie ihr zu Cerdics Belustigung niedergemacht werdet.«
»Aber im nächsten Jahr«, wandte ich ein, »werdet Ihr für Cerdic kämpfen.«
»Werde ich das?« fragte er mich. Er klang belustigt. »Ich weiß nicht, was ich nächstes Jahr tun werde, Derfel. Vielleicht segle ich auf und davon nach Lyonesse? Wie ich hörte, sollen die Frauen dort die schönsten von der Welt sein. Sie haben Haare aus Silber, Körper aus Gold und keine Zungen.« Er lachte, holte einen weiteren Apfel aus dem Beutel und polierte ihn an seinem Ärmel. »Mein Lord König allerdings«, sagte er und meinte Lancelot, »wird für Cerdic kämpfen, aber was bleibt ihm schon anderes übrig? Arthur wird ihn nicht mit offenen Armen empfangen.«
Da wurde mir klar, worauf Bors hinauswollte. »Mein Lord Arthur«, sagte ich bedächtig, »hat nichts gegen Euch.«
»Und ich hab’ nichts gegen ihn«, sagte Bors kauend. »Also werden wir uns vielleicht wiedersehen, Lord Derfel. Zu schade, daß ich Euch heute morgen nicht finden konnte. Mein Lord König hätte mich reich belohnt, wenn ich Euch getötet hätte.« Er blickte mich grinsend an und ging davon.
Zwei Stunden später sah ich Bors und Cerdic aufbrechen; sie stiegen den Hügel hinab bis dahin, wo letzte Nebelschwaden wie Fetzen im roten Herbstlaub der Bäume hingen. Einhundert Mann zogen mit Cerdic. Die meisten litten noch unter den Folgen der Festnacht – genau wie Aelles Männer, die eine Eskorte für die scheidenden Gäste bildeten. Ich ritt hinter Aelle, dessen Pferd geführt wurde, während er neben König Cerdic und Lancelot einherschritt. Unmittelbar hinter ihnen marschierten zwei Standartenträger, der eine mit Aelles blutbepinseltem Stierschädel auf einer Stange, der andere mit Cerdics rotbemaltem Wolfsschädel, der mit der abgezogenen Haut eines Toten behängt war. Lancelot beachtete mich nicht. Früher am Morgen, als wir uns unerwartet in der Nähe der Halle begegneten, hatte er einfach durch mich hindurchgesehen, und auch ich hatte die Begegnung ignoriert. Seine Männer hatten meine jüngste Tochter ermordet, und ich hatte zwar die Mörder getötet, hätte Dians Seele jedoch immer noch gern an Lancelot selbst gerächt, aber Aelles Halle war nicht der richtige Ort dafür. Jetzt beobachtete ich von einer grasbewachsenen Erhebung über dem schlammigen Ufer der Themse aus, wie Lancelot und seine wenigen Gefolgsleute zu Cerdics wartenden Schiffen schritten. Nur Amhar und Loholt wagten es, mich herauszufordern. Die Zwillinge waren mürrische junge Männer, die ihren Vater haßten und ihre Mutter verachteten. In ihren eigenen Augen waren sie Prinzen, doch Arthur, der nichts von Titeln hielt, weigerte sich, ihnen diese Ehre zuteil werden zu lassen, und das hatte ihren Groll auf ihn noch verstärkt. Sie fühlten sich um den Königsrang, um Landbesitz, Reichtum und Ehre betrogen und würden für jeden kämpfen, der Arthur zu besiegen suchte, weil sie ihm die Schuld an ihrem Unglück zuschrieben. Der Stumpf von Loholts rechtem Arm trug eine Stulpe aus Silber, an der er ein Paar Bärenklauen befestigt hatte.
Weitere Kostenlose Bücher