Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
es geheimhielt, weil er fürchtete, Arthur würde das Schwert zerstören, nur um zu beweisen, daß er nicht abergläubisch sei.
»Merlin hat verlangt, daß ich es zurückgebe«, sagte Arthur. Er hatte immer gewußt, daß dies eines Tages geschehen würde, von jenem fernen Tag an, da Merlin dem jungen Arthur das Zauberschwert überreicht hatte.
»Werdet Ihr es ihm zurückgeben?« fragte ich besorgt. Er verzog das Gesicht. »Wenn ich es nicht tue, Derfel – werde ich damit Merlins Unsinn ein Ende setzen?«
»Wenn es denn ein Unsinn ist, Lord«, wandte ich ein. Dabei dachte ich an das nackte, leuchtende Mädchen und redete mir ein, daß sie ein Vorbote ganz wundervoller Ereignisse sei.
Arthur löste das Wehrgehänge mit der kreuzweise geschmückten Schwertscheide. »Bringt Ihr es ihm, Derfel«, sagte er widerwillig,
»bringt Ihr es ihm.« Damit schob er mir das kostbare Schwert in die Hand. »Aber sagt Merlin, daß ich es zurückhaben will!«
»Das werde ich, Lord«, versicherte ich ihm. Denn wenn die Götter am Vorabend von Samhain nicht zu uns herabkamen, würde Excalibur wieder gezogen und gegen das Heer aller Sachsen getragen werden müssen.
Aber der Vorabend von Samhain stand nahe bevor, und in dieser Nacht der Toten sollten die Götter herabbeschworen werden. Am Tag darauf trug ich Excalibur gen Süden, damit es auch wirklich so geschehe.
M ai Dun ist ein großer Hügel südlich von Durnovaria, auf dem früher einmal die größte Festung von ganz Britannien gelegen haben muß. Er besitzt eine weite, sanft gewölbte Kuppe, die sich von Westen nach Osten erstreckt, und um die Kuppe herum haben die Alten drei riesige Wälle aus steil ansteigenden Grassoden errichtet. Niemand weiß, wann diese Festung erbaut wurde, ja, nicht einmal wie, und manche meinen, die Götter selbst hätten die Anlage aufgetürmt: Zu hoch scheint der dreifache Wall zu sein, und seine Gräben zu tief, als daß sie von Menschenhand stammen könnte, obwohl weder die Höhe der Wälle noch die Tiefe der Gräben die Römer daran gehindert haben, die Festung zu erobern und ihre Besatzung dem Schwert zu überantworten. Seit damals war Mai Dun leer geblieben, bis auf einen kleinen Mithrastempel aus Stein, den die siegreichen Römer am östlichen Ende des Gipfelplateaus erbaut hatten. Im Sommer ist die alte Festung ein lieblicher Ort, wo Schafe an den steilen Hängen weiden und Schmetterlinge über Gras, wilden Thymian und Orchideen dahinflattern, im Spätherbst jedoch, wenn die Nacht früh hereinbricht und aus Westen der Regen über Dumnonia hinwegfegt, kann die Kuppe eine eisige, kahle Höhe sein, wo der Wind bitterkalt und unbarmherzig beißt. Der Hauptzugang zum Gipfel führt an das wie ein Irrgarten anmutende Westtor, und als ich Excalibur zu Merlin brachte, war der Pfad glitschig vom Schlamm. Hinter mir kam eine Schar einfacher Leute, manche mit dicken Feuerholzbündeln auf dem Rücken, andere mit Lederschläuchen voll Trinkwasser, während wieder andere Ochsen antrieben, die schwere Baumstämme schleppten oder Schlitten voll zurechtgeschnittener Äste zogen. Mit blutüberströmten Flanken mühten sich die Ochsen mit ihrer schweren Fracht den steilen, gefährlichen Pfad empor bis zum äußersten Graswall hoch über mir, wo ich Speerkämpfer Wache stehen sah. Die Gegenwart dieser Speerkämpfer bestätigte mir, was man mir schon in Durnovaria gesagt hatte: daß Merlin Mai Dun für alle bis auf jene geschlossen halte, die kamen, um dort zu arbeiten. Zwei Speerkämpfer bewachten das Tor. Beide waren irische Schwarzschildkrieger, ausgeliehen von Oengus mac Airem, und ich fragte mich, wieviel Merlin von seinem Vermögen dafür ausgab, diese trostlose Grasfestung auf die Ankunft der Götter vorzubereiten. Die Männer, die erkannten, daß ich nicht zu den Leuten gehörte, die auf Mai Dun arbeiteten, kamen mir den Hang herab entgegen. »Habt Ihr hier oben etwas zu tun, Lord?« erkundigte sich der eine höflich. Ich trug keine Rüstung, doch ich hatte Hywelbane dabei, dessen Scheide genügte, um mich als Herrn von Rang und Stand auszuweisen.
»Ich muß mit Merlin sprechen«, antwortete ich.
Der Schwarzschildkrieger wich nicht zur Seite. »Viele Leute kommen hierher, Lord«, sagte er, »und behaupten, sie müßten mit Merlin sprechen. Aber muß Lord Merlin mit ihnen sprechen?«
»Sagt ihm«, entgegnete ich, »daß Lord Derfel ihm den letzten Schatz bringt.« Ich versuchte meinen Worten eine angemessene Würde zu verleihen, aber das schien die
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