Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
dabei den kleinen Kadaver schüttelte und wilde Gebete hinausbrüllte. Wir alle wurden mit Blutstropfen bespritzt. Als der Druide mit seinem blutüberströmten Gesicht an uns vorbeitanzte, warf ich beschützend meinen Mantel über Ceinwyn. Arthur hatte offensichtlich keine Ahnung, daß diese barbarische Schlachterei sorgfältig arrangiert worden war. Er hatte zweifellos gedacht, seine neue Gemahlin habe zur Einstimmung auf das Fest eine feierliche Zeremonie geplant, aber der Ritus artete zu einer Orgie des Blutvergießens aus. Alle fünf Lämmer wurden geschlachtet, und als die letzte kleine Kehle von dem schwarzen Feuersteinmesser durchschnitten worden war, trat Fergal zurück und deutete auf den Reifen. »Nantosuelta erwartet euch!« rief er uns zu. »Hier ist sie!
Kommt zu ihr!« Offenbar erwartete er eine Reaktion, doch keiner von uns rührte sich. Sagramor blickte starr zum Mond empor. Culhwch lauste seinen Bart. Kleine Flämmchen zuckten über die Reifen, brennende Strohreste flogen hinunter zu den zerrissenen, blutigen Kadavern auf den Pflastersteinen des Innenhofs, und immer noch regte sich keiner von uns. »Kommt zu Nantosuelta!« lockte Fergal mit heiserer Stimme.
Auf einmal stand Argante auf. Sie ließ den steifen goldenen Mantel fallen, der ein schlichtes blaues Wollgewand freigab, in dem sie noch kindlicher als sonst aussah. Sie hatte schmale, knabenhafte Hüften, kleine Hände und ein zartes Gesicht, so weiß, wie das Vlies der Lämmer gewesen war, bevor das schwarze Messer ihr junges Leben beendet hatte. »Kommt«, rief Fergal ihr zu, »kommt zu Nantosuelta, Nantosuelta ruft Euch, kommt zu Nantosuelta!« Immer weiter säuselte er, um Argante zu ihrer Göttin zu locken. Argante, die sich fast in Trance befand, trat so langsam vor, als sei jeder Schritt eine neue Anstrengung; sie bewegte sich, hielt inne, bewegte sich, hielt inne, während der Druide fortfuhr, sie zu sich zu locken. »Kommt zu Nantosuelta«, skandierte Fergal, »Nantosuelta ruft Euch, kommt zu Nantosuelta!«
Argante hatte die Augen geschlossen. Für sie zumindest war es ein ehrfurchtgebietender Moment, uns anderen dagegen war es, glaube ich, eher peinlich. Arthur zog eine entsetzte, angewiderte Miene, was mich nicht wunderte, denn wie es schien, hatte er Isis gegen Nantosuelta eingetauscht. Mordred, dem Argante früher einmal als Braut versprochen worden war, beobachtete mit einem gierigen Blick, wie sich das Mädchen langsam vorwärtsbewegte. »Kommt zu Nantosuelta, Nantosuelta ruft Euch!« Verführerisch winkte Fergal sie weiter, und jetzt war seine Stimme zu einer Imitation von Frauengekreisch angestiegen.
Langsam erreichte Argante den Reifen. Als ihr die Hitze der letzten Flammen ins Gesicht schlug, öffnete sie die Augen und schien fast überrascht zu sein, daß sie vor dem Feuer der Göttin stand. Sie sah zu Fergal hinüber und schlüpfte flink durch den rauchigen Ring. Sie lächelte triumphierend, und Fergal applaudierte ihr, um uns andere aufzufordern, ihr ebenfalls Beifall zu spenden. Höflich folgten wir seinem Beispiel, doch unser wenig begeisterter Applaus verstummte, als sich Argante neben den toten Lämmern niederkauerte. Schweigend sahen wir zu, als sie einen zierlichen Finger in eine der Messerwunden steckte. Sie zog den Finger wieder heraus und hielt ihn empor, damit wir alle das Blut an seiner Spitze sehen konnten. Dann drehte sie sich so, daß Arthur zusehen konnte. Sie starrte ihn an, öffnete den Mund, zeigte ihre kleinen weißen Zähne, schob den Finger ganz langsam zwischen die Zahnreihen und schloß die Lippen um ihn herum. Sie leckte ihn ab. Gwydre starrte seine Stiefmutter ungläubig an. Sie war nicht viel älter als Gwydre. Ceinwyn, deren Hand die meine umklammerte, erschauerte. Aber Argante war noch nicht fertig. Wieder drehte sie sich um, näßte den Finger abermals mit Blut und stieß den blutigen Finger in die heiße Asche des Reifens. Dann griff sie, immer noch kauernd, unter den Saum ihres blauen Gewandes, um sich Blut und Asche zwischen die Beine zu schmieren. Sie wollte sicherstellen, daß sie Kinder bekommen werde. Sie benutzte Nantosueltas Macht, um eine eigene Dynastie zu gründen, und wir alle wurden Zeugen dieses Bestrebens. Die Augen hatte sie, fast ekstatisch, wieder geschlossen, und dann war das Ritual urplötzlich vorbei. Sie erhob sich, ihre Hand wurde wieder sichtbar, dann winkte sie Arthur zu sich. Zum erstenmal an jenem Abend lächelte sie, und ich sah, daß sie schön war, aber es war
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