Arztromane
Augenarzt, gehe. Was der Kerl allerdings mit mir anstellt, ist eine ganzheitliche Therapie.
Ich gehöre zu diesen Menschen, die überall nur das Böse sehen. Daher bin ich auch rege l mäßig bei den Fachärzten, um mich zu versichern, dass ich vollkommen gesund bin, auch wenn ich meist überzeugt bin, dass diese Leute mich aus Mitleid belügen. Okay, wahrschei n lich bin ich ein Hypochonder, doch ein gemäßigter.
Ich rauche nicht, esse gesund, treibe Sport und pflege mich, ab und zu trinke ich auch mal ein Bierchen. Im Ganzen passe ich einfach gut auf mich auf, damit ich hundert Jahre alt we r de oder zumindest nicht an einer tückischen Krankheit sterbe.
Aktuell steht ein Besuch beim Augenarzt an, denn ich habe gelesen, dass viele Menschen einen zu hohen Augendruck haben und das gar nicht wissen. Gefundenes Fressen für mich.
In der Praxis von Dr. Wurzenbach sieht es sehr modern aus, hell und freundlich. Sofort fühle ich mich gut aufgehoben und nehme im leeren Wartezimmer Platz. Auf dem Tisch in der Mi t te liegen zahlreiche Illustrierte. Ich schnappe mir ein Gesundheitsmagazin und bin gerade in einen wahnsinnig interessanten Artikel über Prostatakrebs vertieft, als ich aufgerufen werde.
Dr. Wurzenbach begrüßt mich mit Handschlag und lächelt mich gewinnend an. Der Kerl ist riesig und seine Augenfarbe, ein helles Grau, irritiert mich für einen Moment. Er gefällt mir auf den ersten Blick und als er zu seinem Schreibtisch läuft, kleben meine Augen an seinem Hintern fest. Geiler Arsch. Ein Glück, dass er keinen der typischen Arztkittel trägt, sonst wäre ich um diesen Anblick betrogen worden.
„Was führt Sie zu mir, Herr Dillenberg?“
Der Doktor schaut auf mein Krankenblatt, dann zu mir und faltet die Hände auf dem Schrei b tisch.
„Ich hab gelesen, dass hoher Augendruck gefährlich sein soll, deshalb bin ich hier. Auße r dem habe ich in letzter Zeit so einen Schleier vor den Augen.“
Der letzte Teil ist gelogen, doch mit einem Mal komme ich mir dumm vor, nur wegen dieser Druck-Geschichte hier zu sitzen.
Dr. Wurzenbach nickt ernst. „Setzen Sie sich doch mal dort drüben auf den Stuhl, damit ich mir das ansehen kann.“
Er zeigt in eine Ecke auf einen riesigen Sessel, steht auf und folgt mir dorthin. Gleich darauf habe ich sein Gesicht dicht vor meinem, während er mir tief in die Augen schaut. Etwas ve r wundert halte ich still, und dass er sich auf meinen Schenkeln abstützt nehme ich auch mal so hin. Sicher ist das normal.
„Hübsches Braun“, murmelt Wurzenbach, richtet sich auf und schiebt mir ein Gerät vor die Augen, mit dem er meine Sehkraft testet.
„Besser als bei einem Adler“, meint er abschließend, befreit mich von dem Testgerät und beugt sich erneut vor. „Diese Schleier, wie genau meinen Sie das?“
Mein Improvisationstalent lässt mich für einen Moment im Stich, da sein Blick mich lähmt. Dazu kommt noch, dass sein Duft mich einhüllt, der unheimlich sexy ist. Sandelholz, Vanille und etwas Herbes.
„Herr Dillenberg?“
„Äh, ja, also, das ist so, als wenn alles verschwimmt. Dann muss ich blinzeln, um freie Sicht zu bekommen“, lüge ich, wobei mich die Worte viel Kraft kosten, die leider gerade in meiner Körpermitte randaliert.
Ein wenig entspricht diese Schilderung schon der Wahrheit, denn morgens brauche ich wir k lich einen Moment, bis ich klar gucken kann. Das ist sicher nicht normal.
„Hm, hört sich nicht gut an“, murmelt der Doktor, richtet sich auf und wiegt den Kopf.
Schmunzelt er? Argwöhnisch betrachte ich sein sympathisches Gesicht, doch es zeigt einen ernsten Ausdruck, nicht die Spur eines Lächelns.
„Ich werde Ihnen jetzt Tropfen verabreichen. In den folgenden Tagen müssen Sie dann r e gelmäßig hier erscheinen, damit ich Sie weiterbehandeln kann.“
„So … so schlimm ist es?“, flüstere ich entsetzt.
Dr. Wurzenbach schüttelt den Kopf.
„Nein, keine Sorge. Sicher nur eine leichte Bindehautentzündung.“
Er springt auf, geht an einen Medizinschrank und kehrt mit einem kleinen Fläschchen zurück. Wieder beugt er sich über mich, diesmal noch näher, während er mein Gesicht mit einer Hand umfasst, das Augenlid hochzieht und mir je einen Tropfen verpasst. Fühlt sich gut an, diese gekonnte und fast liebevolle Behandlung.
„Wir sehen uns dann morgen.“ Er sagt das über die Schulter, geht dabei zurück zu dem Schrank und ich schäle mich aus dem Sessel, murmle ein ‚Bis
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