Ascalon – Das magische Pferd, Band 2: Ascalon – Das magische Pferd. Das Geheimnis der Maya (German Edition)
erinnerte, dass die Göttin ihr bei ihrem ersten Besuch eine ähnliche Geschichte erzählt hatte. »Gegen etwas Unbedeutendes?«
»Genau!« Die Göttin nickte. »In dem Grab muss natürlich ein Stück Rindenpapier liegen. Eine Tributliste, ein Gesetzestext, ein Liebesbrief … irgendetwas. Aber nicht das.«
»Aber … was steht denn nun auf dem Papier?«, wagte Muriel noch einmal einen Vorstoß, hinter das Geheimnis zu kommen.
Die Göttin schaute sie an, antwortete aber nicht sofort.
»Das zu erfahren«, sagte sie schließlich mit gewichtiger Stimme, »dafür ist die Menschheit noch nicht bereit.« Es war nicht die Antwort, die Muriel sich gewünscht hätte, aber sie spürte, dass die Göttin ihr auch nicht mehr verraten würde. Einen Augenblick noch zögerte sie, dann holte sie tief Luft und sagte: »Also gut. Was soll ich tun?«
»Ascalon wird dich zu den Maya tragen«, begann die Göttin gedehnt. »Das Grab gehörte einem Maya-Priester, der im Hochland Guatemalas über die Stadt Tikal* herrschte. Sein Name ist Ah Coyopa. Ihr werdet etwa zwei Wochen vor seinem Tod dort ankommen, damit du Zeit hast, ihn zu finden, und dir ein Bild von der Lage dort machen kannst. Von denen, die vor dir Wächter des Schicksals waren, weiß ich, dass gerade die ersten Tage sehr schwierig sind. Die Menschen sind oft misstrauisch und nicht selten stehen sie Fremden feindlich gegenüber. Allerdings«, ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, »weiß ich auch, dass junge Menschen wie du leichter Anschluss finden als Erwachsene. Ihr seid freundlich, hilfsbereit und aufgeschlossen – Eigenschaften, die für deine Aufgabe von unschätzbarem Wert sind.«
»Ich werde mein Bestes tun.« Muriel spürte, dass die Göttin ihr Mut machen wollte. Sie wäre so gern tapfer gewesen, aber die bohrende Angst wollte nicht weichen, auch wenn sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. »Wenn … wenn irgendetwas schiefgeht«, sagte sie mit bebender Stimme und hob die Hand, »habe ich ja immer noch den Ring.«
»Das ist gut.« Die Göttin wirkte erleichtert, als sie den Ring sah. »Der Ring ist diesmal besonders wichtig für dich, da Ascalon dich nicht in die Stadt der Maya begleiten kann. Er wird zwar in deiner Nähe bleiben, doch auch wenn ihr euch einmal verlieren solltet, musst du dir keine Sorgen machen. Solange du den Ring bei dir hast, wird Ascalon dich immer finden.«
»Ascalon kommt nicht mit?« Muriel erbleichte. »Warum nicht?«
»Nun, das ist ganz einfach«, erklärte die Göttin. »Weil es in Mittelamerika damals noch keine Pferde gab. Die kamen erst nach der Eroberung durch die Spanier dorthin. Wenn die Maya Ascalon entdecken, würde das eine große Aufregung geben, deren Folgen nicht abzusehen wären. Du bist also ganz auf dich allein gestellt.«
»Oh.« Muriel schwieg betroffen. Daran, dass sie sich von Ascalon trennen musste, hatte sie noch gar nicht gedacht. Plötzlich bekam sie Angst vor der eigenen Courage. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, diesem verrückten Plan zuzustimmen?
Für wen hielt sie sich? Für einen Superhelden aus dem Kino? Sie war ein ganz normales 13-jähriges Mädchen. Nicht mehr. Welcher Teufel hatte sie nur geritten, dass sie der Göttin …
»Muriel!« Sanft legte die Göttin ihr die Hand auf den Arm. »Ich spüre deine Furcht und ich verstehe dich. Glaube mir, allen Wächtern, die Ascalon im Lauf der Jahrhunderte auf seinen Reisen begleitet haben, gingen vor dem ersten Ritt dieselben Dinge durch den Kopf. Es war keiner unter ihnen, der sich nicht vor der Reise fürchtete. Manche ließen es sich nicht anmerken, andere jedoch machten keinen Hehl daraus, dass sie verzagt oder gar mutlos waren. Aber sie stellten sich der Aufgabe und wenn sie auch nicht immer erfolgreich waren, so kehrten sie doch alle in ihre Welt zurück. Es gibt keinen Grund zur Sorge. Wenn die Aufgabe erfüllt ist oder du Hilfe brauchst, wird Ascalon sofort zur Stelle sein und dich zurückbringen.«
»Aber was ist, wenn ich es nicht schaffe?«, fragte Muriel. »Wenn es mir nicht gelingt, das Rindenpapier auszutauschen?«
»Dann muss ich im Hier und Jetzt versuchen, das Schlimmste zu verhindern.«
»Könnte ich nicht einfach noch einmal zurückreiten und …«
»Nein!« Die Stimme der Göttin war ungewohnt scharf. »Das ist ausgeschlossen. Du würdest dir dann selbst begegnen. Ein gefährliches Paradoxon, das das empfindliche Gefüge der Zeit zerreißen würde. Die Folgen wären unabsehbar. Das darf auf keinen Fall geschehen.
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