Ascalon – Das magische Pferd, Band 2: Ascalon – Das magische Pferd. Das Geheimnis der Maya (German Edition)
kümmerten. Irgendwo dort aber musste sich auch der Tonkrug mit dem Faltbuch befinden, das sie unbedingt austauschen musste, bevor der Priester starb und der Krug für immer in seinem Grab eingeschlossen wurde.
Muriel überlegte hin und her, wie sie in den Tempel kommen konnte, aber sosehr sie sich auch den Kopf darüber zerbrach, sie hatte keine Idee, wie sie diese Hürde meistern könne.
Die Tage vergingen und Muriel wurde immer mutloser. Sie spürte, dass sie bald handeln musste, sonst würde es zu spät sein. Aber wie? Was konnte sie tun? Manchmal war sie der Verzweiflung nahe, weil sie glaubte, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Der Priesterfürst war in seinem Tempel so unerreichbar für sie wie das Gold von Fort Knox. Sie hätte schon ein genialer Einbrecher oder Meister der Verwandlung sein müssen, um auch nur in seine Nähe zu kommen. Um die Aufgabe zu erfüllen, blieb ihr nicht mehr viel Zeit, aber auch zehn Tage nach ihrer Ankunft war sie ihrem Ziel noch keinen Schritt näher gekommen und es sah ganz so aus, als würde das auch so bleiben.
Am Morgen des elften Tages, den Muriel bei den Maya verbrachte, kam Bewegung in die eintönige Arbeit des Opfergabensammelns.
Während die Mädchen das Morgenmahl einnahmen, kamen ein grimmig dreinblickender Krieger mit prächtigem Kopfputz und Federschild sowie ein Opferpriester in den Saal. Sie führten einen Stapel Säcke mit sich und erklärten den Mädchen, dass sie von nun an nicht mehr Früchte und Gemüse, sondern Tiere in die Tempel bringen müssten. Ah Coyopa hätte das Bewusstsein verloren und stünde bereits vor den Toren der Unterwelt. Allein das Blut geopferter Tiere könnte ihn jetzt noch davor bewahren, das Tor zu durchschreiten.
Als der Priester und der Krieger gegangen waren, blickte Muriel Chila betroffen an. »Sie wollen Tiere töten? Was für Tiere?«
»Dumme Frage«, hörte sie Zamná hinter sich spotten. »Opfert man in Naranjo etwa keine Tierherzen, um die Götter zu besänftigen?«
»D… doch. Natürlich«, beeilte sich Muriel zu erklären. »Ich … ich wollte nur wissen, welche Tiere wir suchen sollen.«
»Fang am besten einen Jaguar.« Zamná grinste herablassend. »Oder geh mit Pfeil und Bogen auf Pekarijagd* – dann sind wir dich wenigstens los, ehe du Unheil über Tikal bringen kannst.« Sie bedachte Muriel mit einem vernichtenden Blick und verließ den Raum.
»Sie hält mich immer noch für einen Spitzel.« Muriel schaute ihr hinterher, schüttelte betrübt den Kopf und seufzte.
»Sie wird schon noch erkennen, dass ihre Anschuldigungen falsch sind. So wie die anderen auch.« Chila lächelte Muriel aufmunternd zu und nahm sich einen der Säcke. »Kommt!«, forderte sie Muriel und Ahau auf. »Mal sehen, ob wir ein paar streunende Hunde anlocken und ein paar Meerschweinchen einfangen können.«
Die Jagd auf die Meerschweinchen in den Feldern rings um Tikal war nicht schwer. Die kleinen Nager waren sehr zutraulich und kamen sofort angelaufen, wenn man so tat, als ob man ihnen mit der Hand Futter anbot. Wenn man dann schnell zupackte, war ihr Schicksal besiegelt. Muriel stellte sich dabei absichtlich sehr ungeschickt an. Die putzigen Tierchen taten ihr leid und sie war froh, wenn ihr eines entwischte.
»Sag mal, hast du noch nie Meerschweinchen gejagt?« Chila verschnürte ihren prall gefüllten Sack und kam auf Muriel zu. »Dein Sack ist ja noch ganz leer.« Sie schüttelte den Kopf und nahm Muriel den leeren Sack ab. »Lass das bloß nicht die Priester sehen. Sie würden glatt denken, du hättest kein Interesse daran, dass Ah Coyopa wieder gesund wird. Dann muss Zamná nur noch mit ihrer Spitzel-Lüge kommen und – zack«, sie fuhr sich mit einer schneidenden Bewegung der Handkante am Hals entlang, »liegst du selbst auf dem Opferaltar.« Chilas Worte sollten scherzhaft klingen, doch Muriel ahnte, dass eine bittere Wahrheit darin verborgen lag.
»Aber sie sind zu schnell für mich.« Sie seufzte und hob die Hände zu einer hilflosen Geste. »Ich weiß gar nicht, wie ihr die Säcke so schnell vollbekommen habt.«
»Vergiss die Meerschweinchen. Deiner ist auch gleich voll.« Ahau deutete auf einen mageren Hund, der zwanzig Meter entfernt schwerfällig über den Weg humpelte. »Der ist langsam genug für dich. Also los, worauf wartest du noch?«
Muriel erhob sich, den Hund fest im Blick. Er tat ihr leid, weil er litt, aber noch viel mehr, weil er nicht wusste, welch grausames Schicksal ihn erwartete. Zu gern hätte sie ihn
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