Ascalon – Das magische Pferd, Band 2: Ascalon – Das magische Pferd. Das Geheimnis der Maya (German Edition)
lauschte den Gesprächen nur am Rande. Nach nur einer Stunde taten ihr die Arme so weh, dass sie glaubte, nicht mehr weiterarbeiten zu können. Obwohl sie sich Zeit ließ und mit wenig Eifer bei der Sache war, waren ihre Handflächen vom vielen Drücken und Rollen schon ganz rot. An einigen Stellen zeigten sich erste Blasen. Dabei hatte sie noch nicht einmal einen Bruchteil des Mais verarbeitet, den man ihr hingestellt hatte.
Muriel seufzte, bedachte den Mahlstein mit einem finsteren Blick und legte eine Pause ein.
Die Frauen hatten inzwischen die Morgenmahlzeit in den Speisesaal gebracht und säuberten die Küche. Dabei schienen sie es sehr eilig zu haben, denn wie alle anderen auch wollten sie das Spiel und die Feierlichkeiten natürlich nicht verpassen. Nach und nach verabschiedeten sie sich und huschten davon, bis nur noch Kisin, die alte zahnlose Köchin, in der Küche war.
»Gehst du nicht zum Spiel?«, erkundigte sich Muriel im Plauderton.
»Nein, nein. Das ist nichts mehr für mich.« Kisins altersbrüchige Stimme schnarrte wie eine rostige Fahrradklingel. Sie nahm einen Stock und schürte das Feuer. Funken stoben und stiegen knisternd in die Höhe. Dann legte sie neues Holz auf die Glut und sagte: »Außerdem soll ich auf dich achtgeben, damit du nicht herumtrödelst.«
Draußen in den Gängen waren die Stimmen der angehenden Priesterinnen zu hören, die sich lachend und schwatzend auf den Weg zum Ballspielplatz machten. Muriel horchte auf. Bald würde das Haus der Priesterinnen verlassen sein. Nur Kisin und sie selbst würden dann noch hinter den Kalkputzwänden ausharren …
… und während sie darüber nachdachte, reifte in ihr langsam ein Plan heran. Wenn es ihr gelang, unter einem Vorwand aus der Küche zu verschwinden, konnte sie leicht aus dem Haus der Priesterinnen entkommen. Niemand war da, der sie aufhalten würde. Auch die Straßen von Tikal würden heute menschenleer sein. Eine gute Gelegenheit, um die Stadt unbemerkt zu verlassen und …
»Wärst wohl gern dabei, wie?«, hörte sie Kisin in ihre Gedanken hinein sagen. Die Alte verzog den Mund zu einem zahnlosen Lächeln und nickte bedächtig. »Ja, ja. Ungehorsam muss bestraft werden. Je mehr es wehtut, desto erfolgreicher ist die Strafe. Das ist gut und richtig. Eine Priesterin darf niemals ungehorsam sein. Sie …« Es folgte ein langer Monolog über die Tugenden von Priesterinnen, den Muriel ohne zuzuhören an sich vorbeiziehen ließ. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt den Geräuschen, die von draußen hereindrangen und die langsam leiser wurden, als sich die Gruppe auf den Weg zum Ballspielplatz machte.
Das war der Augenblick, auf den sie gewartet hatte. Wenn sie überhaupt noch eine Chance haben wollte, ihre Aufgabe zu erfüllen, dann an diesem Vormittag.
»Verzeih, Kisin, aber ich muss mal ins Bad.« Sie erhob sich mit steifen Gliedern und ging auf die Tür zu. »Ich komme gleich wieder.«
»Das möchte ich dir auch geraten haben.« Offenbar hegte Kisin keinen Argwohn. »Die Oberste Priesterin kennt kein Erbarmen, wenn die angeordnete Strafe nicht verrichtet wird.«
»Keine Sorge, ich komme wieder.« Muriel war selbst erstaunt, wie locker ihr die Lüge über die Lippen kam. Sie hatte nicht vor, noch einmal ins Haus der Priesterinnen zu kommen. Nie mehr. Wenn es ihr an diesem Morgen nicht gelang, das Schriftstück auszutauschen, würde sie zurückkehren und der Göttin ihr Versagen eingestehen.
Als sie die Küche verließ, fand sie die Flure wie erwartet verlassen vor. Das Badehaus war ein separates Gebäude im Garten hinter dem Priesterinnenhaus. Es lag ein wenig abseits und bot einen hervorragenden Ausgangspunkt für eine Flucht. Zunächst jedoch tat Muriel ganz so, als wolle sie wirklich nur das Bad aufsuchen. Ohne Hast durchquerte sie den Garten mit den exotischen Blumen und Sträuchern, klaren Teichen und schwirrenden Kolibris, die sich an den Blüten labten, würdigte die Schönheit aber keines Blickes. Immer wieder schaute sie sich verstohlen um und vergewisserte sich, dass ihr niemand folgte, ehe sie schließlich das Badehaus betrat.
Drinnen angekommen, lehnte sie sich mit dem Rücken an die Wand und atmete tief durch. Das Haus schien leer, aber Zamnás Drohung: »Ich habe meine Augen und Ohren überall«, klang ihr noch in den Ohren und sie war entschlossen, nicht noch einmal den Fehler zu machen, sich unbeobachtet zu fühlen.
So gönnte sie sich eine kurze Verschnaufpause und verließ das Badehaus erst, nachdem sie sich
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