Ascalon – Das magische Pferd, Band 2: Ascalon – Das magische Pferd. Das Geheimnis der Maya (German Edition)
nicht dieses Herzklopfen gewesen. Ein Glück nur, dass Vivien so sehr mit sich selbst beschäftigt war. Zwei Armlängen hinter Muriel ging sie auf das große Tor zu.
»Da«, flüsterte sie, als sie das Tor erreichten. »Da hinten habe ich sie gesehen.« Sie hob den Arm und deutete zu der alten knorrigen Eiche hinüber, in deren Schatten die Pferde wie so oft Schutz vor der Nachmittagssonne gesucht hatten. »Da war ich aber schon dichter dran.« Vivien versteifte sich. »Sie … sie hat mich angesehen.«
»Und dann?«
»Dann bin ich weggerannt.« Vivien schaute Muriel an und fügte fast trotzig hinzu: »Was hätte ich denn tun sollen? Ich hatte solche Angst. Der Geist war …«
»Es gibt keine Geister! Komm mit, wir sehen nach.« Die widerstrebende Vivien mit sich ziehend, marschierte Muriel auf die Eiche zu. Zwanzig Schritte vom Baum entfernt hielt sie an, fasste ihre Schwester bei den Schultern, schob sie vor sich und sagte: »Siehst du? Es ist niemand da. Kein Geist, keine Kobolde. Nichts. Nur Licht, Schatten und die Pferde.« Sie schaute Vivien an und grinste: »Na, wer ist hier nun das Hitzeopfer?«
»Das ist gar nicht komisch.« Vivien schnitt eine Grimasse. »Ich weiß, was ich gesehen habe.«
»Und ich weiß, dass ich mein Halfter gestern auf den richtigen Platz gehängt habe. Und vermutlich war Teresa auch ganz sicher, die Milch in den Kühlschrank gestellt zu haben.« Muriel knuffte Vivien freundschaftlich in die Seite. »Du siehst, wir fangen alle schon an zu fantasieren.«
»Aber ich …«
»Komm, wir holen jetzt die Pferde«, wechselte Muriel schnell das Thema. »Sonst wird es nichts mehr mit dem Ausritt heute Abend.« Sie ließ Vivien los und ging auf Ascalon zu. Das Halfter konnte sie ihm auch noch im Stall anlegen. Nötig war es ohnehin nicht. Ascalon wusste genau, was sie von ihm erwartete, ganz so, als ob er ihre Gedanken lesen konnte. Er war eben ein ganz besonderes Pferd. Langsam ging sie über die Wiese, als sie plötzlich einen Blick auf sich ruhen spürte.
Jemand beobachtete sie.
Muriel erschauerte. Es war ein fremdes und unheimliches Gefühl, und obwohl sie sicher war, dass nichts Böses darin lag, wurde ihr doch etwas mulmig zumute. Verstohlen reckte sie sich und schaute zum Wald hinüber. Und wirklich: Im Schatten der Bäume bewegte sich eine schemenhafte Gestalt.
Muriel sog die Luft scharf durch die Zähne. Vivien hatte die Wahrheit gesagt. Da war tatsächlich eine Frau in dunklen Gewändern – aber es war kein Geist! Sie war dieser Frau schon einmal begegnet. Vor ein paar Wochen hatte Ascalon sie auf einem wundersamen Ritt durch die Nacht zu ihr geführt und …
»Muriel!« Viviens Worte drangen wie aus weiter Ferne bis in ihre Gedanken vor. »Hilf mir mal.«
»Was ist denn?« Muriel konnte den Blick nicht vom Waldrand lösen, wo die Gestalt der Frau langsam mit den Schatten verschmolz.
»Nero will sich das Halfter nicht anlegen lassen.« Vivien klang ziemlich genervt.
»Oh … ja. Warte, ich helfe dir.« Ein letztes Mal wanderte Muriels Blick zum Waldrand.
Von der Frau war nichts mehr zu sehen.
Warum ist sie gekommen? Was hat das zu bedeuten?
Diese und andere Fragen schwirrten ihr im Kopf herum, als sie sich anschickte, Vivien zu helfen, die immer noch vergeblich versuchte, Nero das Halfter überzustreifen. Der Percheron-Wallach war sichtlich nervös. Jedes Mal, wenn der Strick ihn berührte, zuckte er zusammen und wandte den Kopf ab.
»Bestimmt hat er den Geist auch gesehen«, meinte Vivien. »Und jetzt hat er Angst.«
»Ach was. Ihm ist es sicher nur zu heiß«, entgegnete Muriel. Sie nahm Vivien das Halfter ab, packte Nero mit geübtem Griff an den Stirnhaaren und streifte es ihm über. »Siehst du, ist kein Problem«, sagte sie lachend, während sie Vivien den Führstrick reichte. »Vielleicht solltest du mal ein bisschen wachsen, dann ist es leichter.«
»Ha, ha.« Vivien schnitt eine Grimasse und stapfte in Richtung des Stalls davon.
Sie hatten die Pferde fast fertig geputzt, als Christian Vollmer überraschend in den Stall kam.
»Ah, das ist er also!«, sagte er mit einem bewundernden Blick auf Ascalon. »Ich muss sagen, du hast am Telefon nicht übertrieben. Ascalon ist wirklich ein Prachtkerl. Mir scheint, da hast du ein echtes Schnäppchen gemacht.«
»Na ja, wenn man bedenkt, wie er sich den anderen gegenüber verhalten hat, eigentlich nicht«, wandte Muriel ein, die sich noch gut daran erinnerte, wie bissig und unberechenbar Ascalon sich aufgeführt
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