Ascalon – Das magische Pferd, Band 3: Ascalon – Das magische Pferd. Der Schlüssel von Avalon
Flip-Flops verschwunden und wie von Zauberhand durch zeitgemäße Kleidung ersetzt worden waren, wunderte sie ebenso wenig wie die Tatsache, dass sie das altertümliche Englisch der beiden Kinder mühelos verstehen und sprechen konnte. Sie kannte das schon von den vorangegangenen Zeitreisen und wusste, dass nicht nur ihre moderne Kleidung, sondern auch ihre Muttersprache auf dem Rückweg in ihre Zeit zurückkommen würden.
Muriel hob die Hand und kratzte sich an Hals und Rücken. Von allen Kleidungsstücken, die sie bisher auf ihren Zeitreisen getragen hatte, waren dies die schlimmsten. Die Wolle stank nach Schaf und kratzte dermaßen, dass sie sich den sackähnlichen Überwurf am liebsten vom Leib gerissen hätte. Auf dem Markt in Camelot würde sie sich als Erstes nach anderer Kleidung umsehen. Doch dafür musste sie die sagenumwobene Burg erst einmal erreichen – ohne Ascalon. Wie von selbst wanderten ihre Gedanken zu dem schmerzlich vermissten Pferd und brachten in ihrem Gefolge auch die Ängste und Sorgen zurück.
Während sie mit den beiden Kindern einen schmalen, gewundenen Trampelpfad entlangging, der, wie die beiden beteuerten, zu ihrem Heimatdorf und im späteren Verlauf auch nach Camallate führte, spähte Muriel immer wieder unauffällig in alle Richtungen, in der Hoffnung, doch noch irgendwo einen Hinweis auf Ascalon zu finden – vergeblich. Es war beängstigend. Ascalon war wie vom Erdboden verschluckt.
Auf dem Weg
Len und Mary führten Muriel nicht direkt ins Dorf, sondern zu einem kleinen Gehöft abseits der Ansammlung ärmlicher Hütten. Die einfache, aus Steinen und Lehm grob zusammengezimmerte Hütte ohne Fenster war mit einem von Moosen und Flechten überwucherten Schilfdach gedeckt und wirkte genauso primitiv wie die Häuser des Dorfes.
Neben der Tür döste ein zottiger Hund in der Sonne, obwohl ein Dutzend Hühner um ihn herum im Sand scharrten. In einem Verschlag neben dem Haus suhlte sich ein geflecktes Schwein im Morast und eine Ziege, die man an einen Pfahl gebunden hatte, begrüßte sie mit lautstarkem Gemecker.
Der Größe nach zu urteilen, besaß das Haus nur einen einzigen Raum. Muriel fragte sich, wie eine Familie so beengt wohnen konnte.
»Hier wohnen wir«, erklärte Mary. »Warte, ich sehe nach, ob Mutter im Haus ist. Vielleicht dürfen wir dich nach Camallate begleiten.«
»Dich lässt sie bestimmt nicht gehen«, rief Len seiner Schwester hinterher. »Du bist noch viel zu klein.« Aber Mary war schon in der Hütte verschwunden.
»Das ist lieb von euch, aber ihr müsst mich wirklich nicht in die Burg begleiten«, sagte Muriel. »Zeigt mir einfach, auf welchem Weg ich am schnellsten dort hinkomme. Dann gehe ich allein weiter.«
»Aber Camallate ist riesig.« Len breitete die Arme aus, um seine Worte zu unterstreichen. »Vor allem jetzt sind dort viele Menschen, weil Mordred erneut seine Mannen um sich versammelt. Da kann man sich schnell verlaufen.«
»Eine Schmiede wird ja wohl nicht so schwer zu finden sein«, meinte Muriel leichthin. »Außerdem kann ich mich immer noch durchfragen. Es ehrt dich, dass du dich um mich sorgst, aber nach allem, was du mir erzählt hast, braucht deine Mutter dich hier.«
»Das ist wohl wahr.« Eine hagere Frau mit schmutzigem Gesicht und verfilztem dunkelbraunen Haar kam aus dem Haus. Sie trug ein Kind von etwa zwei Jahren auf dem Arm und hatte Mary an die Hand genommen. »Len vermisst seinen Vater und lässt nichts unversucht, um nach Camallate zu kommen«, sagte sie entschuldigend. »Seit das Heer dort lagert, ist es besonders schlimm.« Sie maß ihren Sohn mit einem strengen Blick und fügte hinzu: »Anbinden müsste man ihn.«
»Aber Mutter, ich ...«
»Kein Aber«, unterbrach die Frau ihren Sohn. »Die Feldarbeit macht sich nicht von allein. Das Mädchen ist alt genug, um allein zu reisen. Sie braucht dein Geleit nicht.«
Muriel konnte sehen, wie sich die Enttäuschung auf Lens Gesicht breitmachte. Die Mundwinkel sanken nach unten und er ließ seufzend die Schultern hängen. »Bitte, Mutter«, unternahm er einen letzten kläglichen Versuch. Aber seine Mutter blieb hart.
»Nein, Len«, sagte sie bestimmt. »Seit dein Vater fort ist, bist du hier der Mann im Haus und als solcher hast du Pflichten, die sich nicht aufschieben lassen. Jetzt verabschiede dich und geh die Hühner füttern.« Sie deutete auf das scharrende Federvieh. »Sieh nur, wie hungrig sie sind. Mary kann derweil die Nester nach Eiern absuchen.«
»Ja, Mutter.«
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