Ascalon – Das magische Pferd, Band 3: Ascalon – Das magische Pferd. Der Schlüssel von Avalon
dir nicht beantworten.« Die Göttin machte ein betrübtes Gesicht. Dann hellte sich ihre Miene auf. »Oder warte mal, vielleicht können wir es doch herausfinden.« Sie hielt den Schlüssel ins Licht und betrachtete ihn eingehend. »Ja, hier!«, rief sie erfreut aus und brach mit spitzen Fingern ein Stück verkrusteten Schlamm vom Bart des Schlüssels ab. »Das könnte uns weiterhelfen.«
»Der Schlamm?«, fragte Muriel verwirrt.
»Nein, das Haar hier.« Vorsichtig löste die Göttin ein langes schwarzes Haar aus dem kleinen Schlammklumpen und hielt es so, dass Muriel es sehen konnte. »Von dir stammt es jedenfalls nicht«, stellte sie fest.
»Das ist von Lillian.« Muriel nickte. »Sie hatte schwarze Haare. Außerdem hat niemand außer uns beiden den Schlüssel da draußen berührt.«
»Wunderbar.« Die Göttin lächelte Muriel aufmunternd zu. »Dann will ich mal sehen, was ich für dich tun kann. Ich verstehe deinen Kummer. Trotzdem bleibt es dabei. Ganz gleich, wie sehr dein Herz auch an jenen hängen mag, denen du in der Vergangenheit begegnest, sie müssen ihr Schicksal erleiden, so wie es vorgesehen ist. Auch wenn es dir grausam erscheinen mag.«
»Ich weiß.« Muriel räusperte sich verlegen.
»Gut.« Die Göttin wandte sie um. »Dann lass uns jetzt nachforschen, was aus Lillian geworden ist.«
Muriel erwartete, dass sie zum Brunnen der Zeit gehen würden, aber die Göttin führte sie daran vorbei zu einem Tisch, auf dem eine große, flache Silberschale stand. Muriel beobachtete, wie die Göttin mit einer gläsernen Karaffe etwas Wasser aus dem Brunnen der Zeit schöpfte und die Schale wenige Zentimeter hoch mit Wasser füllte. Als das getan war, stellte sie sich mit geschlossenen Augen vor die Schale, konzentrierte sich und sagte: »Gib mir ein Haar von dir.«
Muriel riss sich eines ihrer langen braunen Haare aus und reichte es der Göttin. Sie hatte keine Ahnung, wozu das gut sein sollte, wagte aber nicht noch einmal zu fragen.
»Nicht die Zukunft quält jene, in deren Auftrag ich die Mächte der Zeit anrufe«, hörte sie die Göttin leise murmeln. »Es ist ein Kummer der Vergangenheit, von dem sie sich lösen muss, um die Qualen zu lindern.« Mit diesen Worten warf sie Muriels Haar in das Wasser. Die Wellen, die es verursachte, waren kaum zu erkennen und doch hatte Muriel das Gefühl, dass sich die Farbe des Wassers um eine Winzigkeit geändert hatte. Mit angehaltenem Atem beobachtete sie, wie die Schicksalsgöttin Lillians Haar zur Hand nahm, und lauschte ihren Worten, als sie leise wisperte: »Was einmal war, verlässt uns nicht. Der Schnee von gestern ist das Wasser von morgen. So lass Vergangenes jetzt sichtbar sein. Auf dass der Wahrheit heller Schein überstrahlt die Sorgen.« Mit dem letzten Wort ließ sie Lillians Haar so auf das Wasser fallen, dass es sich mit Muriels Haar kreuzte.
Muriel wartete gespannt. Aber nichts geschah. Sie wollte etwas sagen, aber die Göttin hob mahnend die Hand. Als Muriel wieder auf das Wasser schaute, erkannte sie, was die Göttin gemeint hatte. Fast unmerklich hatte sich das Wasser rings um die Haare verändert. Es sah ganz so aus, als würde es gefrieren und eine spiegelglatte Oberfläche bilden. Staunend beobachtete Muriel, wie sich die Fläche vergrößerte, bis schließlich die ganze Schale von einer silbern spiegelnden Schicht ausgefüllt war. Muriel reckte sich und betrachtete ihr Spiegelbild. Aber dann verschwammen ihre Gesichtszüge und wichen dem Anblick einer aufgewühlten und schlammigen Wiese, auf der ein Pferd mit hängendem Kopf in strömendem Regen stand. Es dauerte einen Augenblick, bis auch eine Person zu erkennen war, die neben dem Pferd auf dem Boden lag.
»Das ist sie!«, rief Muriel aus und trat noch etwas dichter an die Schale heran, um besser sehen zu können. »Das ist Lillian.« Sie konnte den Blick nicht von der Schale abwenden und wartete gespannt, was geschehen würde. Lange tat sich nicht viel. Lillian versuchte sich aufzurichten, gab die Versuche aber schon bald entkräftet auf.
Muriel wartete. Dann endlich tauchte am Bildrand ein Karren auf, der von einem Ochsen gezogen wurde. Ein Mann und eine Frau saßen darauf. Sie entdeckten Lillian, ließen den Ochsen halten und eilten sofort zu der Zofe, um ihr zu helfen.
Muriel atmete auf. »Puh, dann ist es ja doch gut ausgegangen«, sagte sie erleichtert, während sie beobachtete, wie der Mann und die Frau die erschöpfte Lillian auf die Ladefläche legten, ihr Pferd an den Karren
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