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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Ruhe zu lassen und abzuwarten, bis er von selbst wieder zu sprechen begänne.
    Irgendwo im Zentrum wurde er in einer Kurve langsamer und bog abrupt nach rechts in die Einfahrt einer Tiefgarage ab. Er hielt vor einer Schranke und tippte einen Code in vergoldete Tasten.
    »Okay«, sagte Ash, nachdem sie die Schranke passiert hatten, »verrätst du mir, wo wir hier sind?«
    »Du hast selbst gesagt, dass wir neue Klamotten brauchen. Schlafen wäre auch nicht schlecht.«
    Wahrscheinlich würde es eher auf Grübelei und An-die-Decke-Starren hinauslaufen, aber der Vorschlag klang vernünftig. Letzte Nacht in Le Mépris hatten sie auch nur ein paar Stunden geschlafen und die Erschöpfung steckte ihr tief in den Knochen. Außerdem mussten sie sich in Ruhe überlegen, was sie tun wollten. Kurz hinter Monaco lag die italienische Grenze. Und wohin dann? Immer weiter nach Süden? Florenz, Rom, Neapel?
    Parker fuhr bis ans Ende des breiten Mittelweges, der das voll besetzte Parkhaus in zwei Hälften teilte. Menschen waren nirgends zwischen den abgestellten Nobelkarossen zu sehen. Alles war taghell erleuchtet, und obwohl Ash im Auto nichts hören konnte, wäre sie jede Wette eingegangen, dass aus versteckten Lautsprechern klassische Musik ertönte.
    »Es ist im zwölften Stock. Durch den Zahlencode ist oben schon eine Benachrichtigung angekommen.«
    Noch ein Verwalter, der nur darauf wartete, dass Parker sich zu einem seiner sporadischen Besuche entschied? Die Cales bezahlten allerlei Leute für eine ganze Menge Freizeit.
    Er hielt vor der Rückwand der Tiefgarage, unweit einer holzverkleideten Aufzugtür. »Da wären wir.«
    »Willst du hier stehen bleiben?«
    »Das Personal kommt gleich und parkt den Wagen ein.«
    Sie öffnete die Tür, schob die Beine seitwärts über die Kante und streckte sich. Hinter den Betonsäulen erklang leise Violonenmusik. Es roch nach frischen Blumen.
    Sie wandte sich zu Parker um. »Ist das –«
    »Ein Duftstoff in der Klimaanlage.« Er hantierte am Zündschlüssel.
    Kopfschüttelnd nahm sie ihren Rucksack, stieg aus und warf die Tür zu. Es roch wirklich gut, fast nach Frühling.
    Hinter ihr klickte die Zentralverriegelung.
    Als sie herumfuhr, lief der Motor noch immer und Parker ließ das Beifahrerfenster einen Spalt herunter. »Tut mir leid«, sagte er mit traurigem Blick. »Wirklich. Aber es geht nicht anders.«
    Sie hämmerte mit der Faust gegen das Glas. »Hast du sie noch alle?«
    »Zwölfter Stock, Apartment drei«, sagte er. »Ich rufe an und sag Bescheid, dass du kommst. Da oben bist du erst mal in Sicherheit.«
    »Ich scheiß auf Sicherheit!«, brüllte sie. »Fuck, was hast du vor?«
    »Ich muss das allein tun. Ich hab dich viel zu gern, um dich weiter in Gefahr zu bringen.« Er schlug die Augen nieder, sah dann aber wieder auf. »Libatique wird uns beide töten, wenn ich nicht –«
    »Ich will dabei sein!«
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht heute Nacht. Wünsch mir Glück.«
    Und damit schloss er das Fenster und gab Gas.
    Ash starrte ihm wie betäubt hinterher. Der Blumenduft roch wie Gestecke in einer Leichenhalle.
    »Fick dich, Parker Cale!«
    Ich muss das allein tun.
    »So eine Scheiße!«
    Sie blickte den Rücklichtern nach, als der Wagen zur Ausfahrt raste. Reifen quietschten, als er hinaus auf die Straße schoss und davonjagte.

57.
    Ihr erster Impuls war, zu Fuß von hier zu verschwinden. Sie war schon durch die halbe Tiefgarage gelaufen, als sie es sich anders überlegte und zum Aufzug zurückkehrte. Dort stand sie mehrere Minuten, ließ unentschlossen die Türen auf- und wieder zugehen, drückte schließlich noch einmal auf den Knopf und trat ein.
    Sie wollte schreien vor Wut. Stattdessen trat sie kräftig gegen die Rückwand des Aufzugs. Das hohle Dröhnen musste in allen Etagen zu hören sein, aber das war ihr egal. Sie trat gleich noch mal zu und prellte sich dabei die Zehen.
    Es gab keinen Knopf für den zwölften Stock, nur einen einzigen für das Erdgeschoss. Daneben einen Sensor, über den sich die Schlüssel der Wohnungsbesitzer einlesen ließen. Besucher mussten offenbar erst im Parterre aussteigen, um sich anzumelden. Genau danach war ihr gerade zu Mute.
    Als die Schiebetür aufglitt, blickte Ash in ein Foyer mit wuchtigen Säulen und sehr viel falschem Gold. Gegenüber saß ein Portier in einer Operettenuniform. Er beendete ein Telefongespräch und erhob sich, als er Ash entdeckte. Freundlich begrüßte er sie erst auf Französisch, dann auf Englisch. Während sie

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