Asche und Phönix
näher kam, trat ein Anflug von Misstrauen in seine Augen. Sie war noch immer völlig verdreckt.
»Guten Abend«, sagte sie. »Ich möchte in die zwölfte Etage, Apartment drei.«
Er nickte. »Geht es Ihnen gut, Mademoiselle? Kann ich behilflich sein?«
»Ich würde nur gern nach oben, danke.«
»Natürlich. Miss Jones hat gerade angerufen. Sie erwartet Sie schon.«
Er hielt ihr eine Plastikkarte entgegen, vermutlich einen Besucherausweis.
Ash starrte seine ausgestreckte Hand an, dann wieder ihn. »Miss Jones? … Epiphany Jones?«
Sofort zog er die Karte zurück. »Verzeihen Sie, ich nahm an, Sie wären der angekündigte Besuch. Sie sagten doch, zwölfte Etage, Apartment –«
»Ja … Ja, das stimmt.« Sie hielt ihm ihre offene Hand entgegen. »Ich war nur … Ist schon in Ordnung.«
Aber jetzt war sein Argwohn geweckt. Er balancierte haarscharf an der Grenze zur Unhöflichkeit und gab sich alle Mühe, nicht auf die falsche Seite zu geraten. »Ich bräuchte bitte noch Ihren Namen für die Besucherliste.«
»Ash.«
Er räusperte sich und schrieb etwas auf einen linierten Papierbogen.
»Ihr Nachname, nehme ich an?«
Sie funkelte ihn an, als wäre das die einfältigste Frage der Welt.
»Miss Ash … Gut.« Mit einem unterdrückten Seufzen überwand er sich und reichte ihr erneut die Karte. »Führen Sie die einfach im Aufzug an dem Sensorfeld vorbei, dann fahren Sie automatisch rauf in die Zwölf.«
Sie dankte ihm und ging zurück zum Lift.
»Nicht den, bitte!«, rief er ihr hinterher. »Den anderen, dort drüben.«
Sie blieb stehen, presste die Lippen aufeinander und wandte sich einem zweiten Aufzug zu, der sich näher an der Rezeption befand und sehr viel prunkvoller aussah als der kleinere zur Tiefgarage. Die Kabine öffnete sich und Ash trat ein.
Als sie sich umdrehte, stand der Portier noch immer hinter seinem Pult und blickte ihr nach. Sein Lächeln wirkte gezwungen und sie vermutete, dass er sofort zum Telefon greifen würde, um sich zu vergewissern, dass diese Person, die er nach oben geschickt hatte, wirklich die richtige war.
Aus den Lautsprechern des Fahrstuhls drang leise Musik. Die Rückwand war verspiegelt. Während der Autofahrt hatte sie versucht, sich Staub und Spinnweben abzuklopfen, aber allzu erfolgreich war sie damit nicht gewesen. Sie sah aus wie jemand, der einen Dachboden entrümpelt hatte. Außerdem hatte Parkers Hand einen blutigen Abdruck auf ihrer Jeans hinterlassen. Wahrscheinlich konnte sie noch dankbar sein, dass der Nachtportier nicht gleich die Polizei gerufen hatte.
Epiphany Jones. Das Mädchen mit den Elfenohren. Hollywoodstar hin oder her, Ash hatte nicht die geringste Lust, Parkers hübscher Verflossener zu begegnen – und sie vielleicht noch darum bitten zu müssen, dass sie ihre Dusche benutzen durfte.
Aber viel drängender war die Frage, was er vorhatte. Dass er einen Plan hatte, wahrscheinlich schon seit ihrem Stopp an der Tankstelle, stand außer Zweifel. Deswegen also war er die ganze Zeit so schweigsam gewesen. Sie wünschte nur, er hätte sie einbezogen. Sie hatte Angst um ihn. Und war fuchsteufelswild.
Der Lift hielt an. Sie betrat einen Flur, der mehr Ähnlichkeit mit den Gängen der Londoner Luxushotels hatte als mit einem Apartmenthaus. Es roch dezent nach Chlor, ein Schild wies nach links zum Swimmingpool.
Apartment drei war nicht weit entfernt, ein Stück nach rechts den Gang hinunter. Neben dem Eingang stand ein Kübel mit irgendeinem exotischen Grünzeug.
Die Tür war einen Spaltbreit geöffnet. Ash blieb davor stehen, nahm ihren Rucksack von der Schulter und klopfte.
»Hallo?«
Vielleicht war es das Beste, wieder abzuhauen. Sie konnte eine Nachricht beim Portier hinterlassen. Oder auch nicht. Je länger sie darüber nachdachte, desto übler nahm sie es Parker, dass er sie ausgerechnet hier aus dem Wagen geworfen hatte.
»Hallo?«, sagte sie noch einmal, jetzt lauter.
Sie klopfte erneut, und diesmal schwang die Tür ein wenig nach innen. Marmorfußboden. Weiß gestrichene Wände.
»Epiphany?« Hieß sie wirklich so? Egal. Sie würden keine besten Freundinnen werden.
Sie hatte die Wahl, weiterhin wie eine Zeugin Jehovas vor der Tür herumzustehen oder einzutreten.
Langsam machte sie einen Schritt in die Wohnung. »Ich komme rein, ist das okay?«
Mehrere verlassene Zimmer zu beiden Seiten des Flurs. Überall brannte das Licht.
Sie drückte die Wohnungstür hinter sich zu. Das Schnappen des Schlosses kam ihr ungewöhnlich laut
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