Asche und Phönix
»Liebesnest des Superstars« und die »geheimnisvolle Gespielin mit der eisernen Faust«. Ash war heilfroh, dass sie noch nichts gegessen hatte, sonst wäre ihr Frühstück auf den Armaturen gelandet.
Gleich darauf wurde ein kurzes Statement des verletzten Mädchens eingespielt, nichts als unverständliches Geflenne. Offenbar hatte jemand das Blut verwischt, damit es aussah, als hätte Ash mit einem Baseballschläger auf sie eingedroschen.
Als Aufnahmen von ihrer Flucht aus dem Haus gezeigt wurden, wandte Ash sich ab und blickte aus dem Fenster. Draußen rauschte Waldland vorüber, halb verborgen von einer Bretterwand, die das Wild von der Autobahn fernhalten sollte. Für ein paar Sekunden gelang es ihr, den Fernsehton zu ignorieren, nur auf das gleichmäßige Surren des Motors zu horchen und dabei die Baumkronen und Vogelschwärme zu betrachten.
Dann sagte Parker plötzlich etwas, und erst nach einem Moment wurde ihr klar, dass seine Stimme aus den Lautsprechern drang: ein Mittschnitt seiner Pressekonferenz. Eine Kommentatorin spekulierte über Wirklichkeitsverlust und Wahrnehmungsstörungen. Gleich darauf wurden ein paar Mädchen gezeigt, die vor dem Kino am Leicester Square gewartet hatten. Alle heulten zum Steinerweichen, als hätte Parker nicht seinem Vater, sondern ihnen persönlich den Krieg erklärt.
Ash warf ihm einen Seitenblick zu. Er blickte stur auf den Verkehr, die Knöchel seiner Hände am Steuer traten weiß hervor.
Die Reporterin vor dem Haus in Shepherd’s Bush wurde wieder zugeschaltet, mit einem blinkenden Live -Schriftzug im Bild, als stünde sie in einem Feuergefecht in den Straßen von Kabul. »Und nach der Werbung«, kündigte sie an, »verraten wir Ihnen, wie Multimilliardär Royden Cale auf die Eskapaden seines Sohnes reagiert hat.«
Parker trat abrupt das Gaspedal durch, schnitt einen Kleinwagen und überholte einen Porsche, der fast genauso schnell über die Autobahn jagte wie sie selbst.
»Hey«, sagte Ash, »nun beruhig dich mal!« Sie zog das rechte Bein an und legte ihren Fuß vor sich aufs Armaturenbrett. Ihre Turnschuhe hatten schon bessere Zeiten gesehen. Mit einem Handgriff stellte sie die Werbung leiser. »Erzähl mir lieber was über diesen Anfall vorhin in der Wohnung.« Weder im Taxi noch am Flughafen hatten sie in Ruhe darüber sprechen können.
»Passiert manchmal«, sagte er wortkarg.
»Einfach so?«
»Das ist wie umgekehrtes Lampenfieber. Wenn die Scheinwerfer auf mich gerichtet sind, geht’s mir gut – meistens jedenfalls –, aber wenn sie es nicht sind, dann –« Er brach mitten im Satz ab, während sie sich Mühe gab, ihre Zweifel nicht allzu deutlich zu zeigen; sie wollte jetzt keinen Streit mit ihm. »Hör zu, es tut mir leid«, fuhr er fort. »Du musst mich völlig unausstehlich finden. Ständig rede ich nur von meinen albernen Problemen. Ich bin ein verwöhnter, verzogener Affe, das weiß ich.«
»Ist wie im Zoo«, sagte sie, »wenn die Schimpansen hinter der Scheibe seltsame Dinge treiben, die man nicht nachvollziehen kann. Trotzdem schaut man gern mal eine Weile zu.«
»Ich hasse Bananen.«
»Dito.«
»Äpfel?«
»Geht so.«
Eine Weile schwiegen sie, dann sagte Parker: »Es sind nur Schwindelattacken, vielleicht was mit meinem Kreislauf. Die Versicherung lässt mich vor jedem neuen Dreh durchchecken, aber die Ärzte finden nichts. Ich muss halt damit leben.«
»Und es wird besser, wenn du vor der Kamera stehst?«
»Oder vor Publikum. Wenn alle Aufmerksamkeit« – er verzog wie unter Schmerzen das Gesicht – »wenn ich genug Aufmerksamkeit bekomme. Ich weiß, wie sich das anhört. Ich find’s ja selbst schlimm.«
Ash deutete auf den Bildschirm. »Da ist dein Vater.«
Er stellte das Programm wieder lauter, als verschiedene Fotos gezeigt wurden, die Royden Cale mit besorgtem Gesichtsausdruck zeigten. Einige waren vermutlich nach seinem Absturz mit dem Fesselballon vor der spanischen Küste entstanden. Die Leute vom Frühstücksfernsehen ließen es aussehen, als wären es Reaktionen auf Parkers Verhalten.
»Royden Cale«, sagte eine Frauenstimme, »schwerreicher Inhaber eines Konglomerats aus TV-Sendern, Radiostationen und Verlagen, außerdem Teilhaber eines der größten Hollywoodstudios, stand bislang nicht für eine Stellungnahme zur Verfügung. Gute Freunde machen sich große Sorgen um den Zweiundsechzigjährigen, der die meiste Zeit des Jahres in seiner Villa in Südfrankreich verbringt. Enge Vertraute berichten seit längerem
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