Asche und Phönix
beugte sich nach hinten und versuchte, die Streithähne auf dem Rücksitz zu trennen.
»Sie ist gegangen und hat mich bei ihm gelassen«, sagte Parker. »Mehr muss ich nicht wissen.«
Auf Ash wirkte er wie jemand, der viel zu oft allein war, auch unter Menschen. Sie selbst war nicht anders, aber sie hatte diese Entscheidung freiwillig getroffen; sie wollte es so. Bei ihm war sie da nicht so sicher.
»Und Chimena?«
»Ob sie und mein Vater …?« Die Vorstellung schien ihn zu amüsieren, aber sein Lachen klang bitter. »Auf keinen Fall!« Er schien das erklären zu wollen, sagte dann aber nur: »Fürs Erste haben wir sie abgehängt. Hätte sie es irgendwie in den Zug geschafft, wäre sie längst aufgetaucht. Trotzdem kann sie nicht allzu weit hinter uns sein. Es dürfte sie gerade mal einen Anruf gekostet haben, zu erfahren, in was für einem Mietwagen wir unterwegs sind. Sie kennt mich. Und meist ist sie allen anderen zwei Schritte voraus.«
Ash hob die Kamera vom Schoß und machte ein Foto von ihren Knien, dann von einem ihrer Schuhe. Beide Bilder verschwanden im Rucksack.
»Kunst?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nur mein Leben.«
+ + +
Stunden später, auf der Autobahn zwischen Paris und Lyon, fragte er sie: »Was hast du jetzt vor? Hier in Frankreich, meine ich.«
»Ich will das Mittelmeer sehen.« Ash ertappte sich schon seit einer Weile dabei, dass sie am Horizont nach einem ersten Aufblitzen der See suchte – obgleich sie genau wusste, dass sie noch Stunden davon entfernt waren.
Die einzige Reise, die sie je unternommen hatte, war eine Zugfahrt von London nach Newcastle, von einer grauen Großstadt in eine andere. Das alles hier war neu für sie: die lange Fahrt in dem komfortablen Wagen, die Weinreben rechts und links der Autobahn. Sogar die Rastplätze waren schöner als in England. Das Mittelmeer ihrer Träume schien fast greifbar nah, selbst wenn bis zur Küste noch Hunderte Meilen vor ihnen lagen: weite Strände, prächtige Promenaden, Fischrestaurants in pittoresken Hafenstädten und singende Seeleute, die ihre Kähne auf Vordermann brachten.
Als Parker nach einer Weile noch immer nichts erwidert hatte, fragte sie: »Wie ist es dort?«
»Am Meer? Die Luft riecht anders. Das Essen schmeckt besser, auch wenn du die gleichen Zutaten benutzt. Der Wind kommt von der offenen See und ist salzig. Es gibt Gewitter, bei denen du das Gefühl hast, die Welt geht unter. Und an den Abenden kann man stundenlang die Lichter der Flugzeuge hoch oben in der Dunkelheit beobachten und sich vorstellen, sie seien von einem Stern zum anderen unterwegs.«
Sie hörte ihm zu, aber beobachtete ihn auch genau beim Sprechen. Er wirkte so leidenschaftlich, während er diese Dinge sagte, die man Phoenix Hawthorne nie ins Drehbuch schreiben würde.
Sie hob ihre Kamera vom Boden auf und richtete sie direkt auf ihn. Sie erwartete Protest, doch es kam keiner. Durch den Sucher betrachtete sie seine Züge, seine Augen, das zerraufte Haar. Er war noch immer nicht der Junge von den Plakaten, hatte nur wenig von dessen Perfektion. Aber anders als zuvor spürte sie eine Ausstrahlung, die sie bislang nur einer geschickten Ausleuchtung zugeschrieben hatte. Hier im Auto gab es nur den Schein der Nachmittagssonne über den grünen Hügeln. Sie fand nicht das, was die Heerscharen seiner Fans in ihm sahen; vielmehr entdeckte sie eine Wahrheit, die sie berührte. Sie sah die Traurigkeit in seiner Miene, sogar jetzt, da er sich diesen kurzen Ausbruch von Begeisterung erlaubte, und studierte die Widersprüche, die sie bislang nur hatte erahnen können. Parker war mehr als ein attraktiver Junge, der ein Leben lang dazu verdammt war, seinem berühmten Namen nachzulaufen. Er mochte manchmal kühl und arrogant sein, und doch kam er ihr in diesem Moment vor allem verletztlich vor.
»Von der Villa aus«, sagte er, »kann man das Meer nicht sehen. Luftlinie sind es nur gut sieben oder acht Meilen bis Saint-Tropez, aber dazwischen liegen die Berge des Massif des Maures.« Sein Lächeln verriet, dass er in Gedanken dort war, nicht hier bei ihr im Wagen. »Und das Mondhaus.«
»Was ist das?«
»Eine Ruine auf einem der benachbarten Berge. Als ich klein war, hab ich mir vorgestellt, dass meine Stofftiere dort gelebt haben, bevor sie zu mir kamen. Und dass ihre Geschwister noch immer dort wohnen. Ich hab das Mondhaus durch ein Fernglas beobachtet und darauf gewartet, dass eines von ihnen am Fenster auftaucht.«
»Wie goldig.«
Er warf ihr einen
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