Asche und Phönix
es irgendwie, zur Haustür vorzudringen und sie nach innen aufzuziehen.
Das Blitzlichtgewitter blendete sie, das Parker!-Parker! -Geschrei wurde ohrenbetäubend, und immer wenn sie in all dem Getümmel ein Gesicht wahrnahm, schien es sich vor ihren Augen zu verzerren, zu flackern und zu zerfließen wie bei einer Bildstörung. Sie war nicht mehr sicher, wer hier eigentlich ein Fall für die Zwangsjacke war, sie selbst oder diese kreischende Masse aus Fratzen.
Auf einmal wurde ihr bewusst, dass Parker und sie die Rollen getauscht hatten: Jetzt war sie es, die gestützt wurde. »Alles wird gut«, raunte er ganz nah an ihrem Ohr, während er einen Arm um ihre Schultern legte und sie vor den eifersüchtigen Fans beschützte, deren Klauen sich nach ihr ausstreckten, um ihr das Gesicht zu zerkratzen oder den Rucksack zu entreißen. Und immer öfter hörte sie Schimpfwörter: »Schlampe!« und »Hure!« und »Fotze!«. Da löste sie sich aus Parkers Umarmung, griff sich das erstbeste Mädchen und schlug ihm die Faust ins Gesicht. Als die Nase brach, herrschte für einen Augenblick Stille. Alle bewegten sich jetzt wie in Zeitlupe, Parker neben ihr, das schreiende Mädchen vor ihr, sogar die Blutstropfen, die aus den Nasenlöchern trieften und auf den Bürgersteig fielen.
Wahrscheinlich hätten sie Ash an einer Laterne gelyncht und Freudentänze um ihre baumelnden Füße aufgeführt, hätte Parker sie nicht durch die Menge zum Taxi bugsiert. Wie in Trance erlebte sie, dass er sie auf die Rückbank schob, nachrückte und die Tür hinter sich zuzog. Ein Paparazzo hämmerte gegen das Fenster des Fahrers. Der ließ die Scheibe einige Fingerbreit herunter, zückte eine Dose Pfefferspray und sprühte eine kräftige Ladung durch den Spalt. Noch mehr Geschrei und Chaos, aber die meisten wichen jetzt einen Schritt zurück. Der Fahrer schlug auf seine Hupe, gab Gas und fuhr dabei fast das Fernsehteam über den Haufen.
Erst im Kreisverkehr fragte er höflich, wohin er die beiden bringen dürfe.
14.
Nach den Ereignissen in Shepherd’s Bush fand Ash es nur fair, dass Parkers Berühmtheit ihnen auch einmal zugutekam.
Während sie durch den Ankunftsbereich des Flughafens Heathrow liefen, trug er wieder seine Sonnenbrille. Ash hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Sie eilten an den Schaltern mehrerer Autovermietungen vorüber, ehe Parker vor einer stehen blieb und die Brille absetzte. An der Rückwand der Kabine hing ein Werbeplakat, auf dem Phoenix Hawthorne strahlend ein Schlüsselbund in die Kamera hielt; einer der Schlüssel war größer als die anderen, hatte eine antiquierte Form und war aus glühendem Gold.
Die junge Frau hinter dem Tresen erkannte Parker auf Anhieb und begrüßte ihn mit nervöser Höflichkeit. Sie schenkte auch Ash ein freundliches Lächeln, zweifellos antrainiert, aber im Augenblick reichte das, um Ash zur Ruhe kommen zu lassen. Zum ersten Mal, seit sie die Wohnung verlassen hatten, fühlte sie sich nicht mehr bedroht und zutiefst verletzt. Das mochte schnell wieder umschlagen, erst recht an einem Ort wie diesem, aber für ein paar Minuten gab sie sich ganz der Illusion hin, dass sie in Sicherheit waren. Es war dieses eine Lächeln, diese flüchtige Geste, die ihren Puls verlangsamte, das Hämmern in ihrem Schädel stoppte und ihr das Gefühl gab, endlich wieder Luft zu bekommen.
Parker musste nicht mehr tun, als seinen Ausweis zu zeigen. Als sie wenig später durch ein Parkhaus eilten, erwähnte er beiläufig, dass kostenlose Ausleihe auf Lebenszeit Teil seines Werbevertrages sei.
Es dauerte nicht lange, da saßen sie in einem silbernen BMW und rasten über die M25 nach Südosten. Der Autobahnring um London führte hier durch hügeliges Ackerland und kleine Waldgebiete. Ash hatte nie zuvor in einem Auto gesessen, das so leise über den Asphalt glitt wie dieses. Unter dem Radio war ein Monitor im Armaturenbrett eingelassen, und als Parker ihn einschaltete, erschienen die Moderatoren von BBC Breakfast . Er bat Ash, einen anderen Sender einzuschalten: »Sieh mal nach, ob du irgendwas über uns findest.«
Sie musste nur einige Mal hin und her schalten, ehe eine blondierte Reporterin auftauchte. Mit ihrem Mikrofon stand sie vor einer vertrauten Hausfassade.
»Ich weiß nicht, ob ich das sehen will«, sagte Ash.
»Besser, wir hören uns an, was sie der Welt über uns weismachen wollen.«
Widerwillig drehte sie den Ton lauter. Die Reporterin spekulierte mit ernster Miene über die Vorgänge im
Weitere Kostenlose Bücher