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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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war. Sie war gut darin, Journalisten in die Flucht zu schlagen. Sie kannte jeden Paragrafen des Persönlichkeitsrechts, jeden Trick im Umgang mit der Boulevardpresse.
    »Ich kann hier nicht bleiben«, sagte Ash. »Keiner darf mitbekommen, dass ich hier bin.«
    »Ach. Und ich?«
    »Das kannst du ja wohl nicht vergleichen! Du kommst in die Zeitung, ich in den Knast!« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Ich war sehr zufrieden damit, dass kein Mensch mich kennt oder sich länger als zwei Minuten an mein Gesicht erinnert. Wenn ich zusammen mit dir da unten rausgehe, ist mein Foto morgen in jeder Zeitung zwischen London und Hongkong!«
    »Und in zwei Minuten auf Facebook.«
    Sie trat mit aller Wucht gegen den Sessel und fluchte. Als sie derart heftig gegen ihre eigenen Regeln verstieß, mochte er sie gleich noch ein wenig mehr.
    Draußen bog ein Taxi in den Kreisverkehr.
    Komm , wollte er sagen, aber es kam nur ein Krächzen über seine Lippen. Plötzlich wurde ihm schwindelig, das Zimmer drehte sich um ihn, alle Farben flossen ineinander. Gott noch mal, nicht ausgerechnet jetzt!
    »Parker?«
    Er streckte die Hand aus, um sich abzustützen, bekam den Vorhang zu fassen und riss ihn aus der Deckenschiene, als seine Knie nachgaben.
    »Hey!« Ash war sofort bei ihm und stützte ihn. Wahrscheinlich machte sie sich größere Sorgen um den scheußlichen Glastisch als um ihn. »Was ist los mit dir?«
    »Tut mir leid«, keuchte er. »Das … Das hört gleich wieder auf …« Aber er konnte sich kaum aus eigener Kraft auf den Beinen halten.
    »Wenn du stirbst, werden sie mir die Schuld geben!« Charmant.
    Er versuchte zu lächeln, doch das Ergebnis schien sie erst recht zu beunruhigen.
    »Brauchst du Medikamente?« Jetzt wurde sie hektisch. »Ich hab nur Aspirin … Doch nicht Drogen, oder? Bist du auf Entzug oder so was?«
    Er schüttelte den Kopf, nur einmal. Öfter gelang es ihm nicht. »Müssen … runter …«
    »In dem Zustand?«
    »… schnell … wie möglich!«
    »Du kannst nicht mal stehen!«
    »Ich schaff das schon.«
    »Vergiss es!«
    »Muss mich nur … zusammenreißen …« Er konnte ihr nicht die Wahrheit sagen. Vielmehr musste er sie dazu bringen, dass sie ihm nach draußen half. Vor die Kameras. Ins Blitzlicht. »Wird … alles gut …«
    Unten vor dem Fenster formierte sich das Stimmengewirr zu einem Sprechchor.
    »Par-ker! Par-ker! Par-ker!«

13.
    »Bring mich hier raus«, flüsterte Parker.
    Ash hörte ihn, aber sie verstand ihn nicht. Wollte er sich diesem Wahnsinn wirklich freiwillig aussetzen? Sie hatte keine Ahnung, was mit ihm geschah, aber er wirkte im Augenblick nicht wie jemand, der die Kraft besaß, es mit den Reportern aufzunehmen. Außerdem war das längst nicht mehr allein seine Entscheidung.
    Für sie war es zu spät, sie würde aus dieser Sache nicht heil herauskommen. Mit einem dunkelblauen Auge vielleicht, falls sie Glück hatte. Oder mit drei Jahren Gefängnis, wenn es nicht ganz so gut lief.
    Sie würden ihr den Einbruch in die Wohnung nachweisen, vielleicht sogar ein paar von den anderen. Die Leute von den Hotels würden sie in der Zeitung erkennen. Im Trinity würde jemand bemerken, dass die Universalschlüsselkarte verschwunden war. Und so würde die Sache Kreise ziehen, bis schließlich jemand ausgrub, wer ihr Vater war, wo er seit zwölf Jahren Urlaub machte und was ihre Pflegeeltern von ihr hielten. Sie sah die beiden schon auf ihrer Couch unter dem goldgerahmten Foto der Queen, wie sie mit betroffener Miene Interviews gaben: Sie war immer ein problematisches Kind … Wir haben unser Bestes gegeben, haben ihr all unsere Liebe geschenkt … Aber ihr Vater, Sie wissen schon … Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Ash hatte das oft genug zu hören bekommen. Als hätte sie den unausweichlichen Fall mit ihrer Haarfarbe geerbt.
    Ash hatte gelernt, die Wohnungen fremder Menschen mit der größten Selbstverständlichkeit zu übernehmen. Solange sie nicht verstohlen durchs Treppenhaus schlich, sondern jeden freundlich grüßte, wurde niemand misstrauisch. Es würde schon seine Ordnung haben, dass dieses höfliche junge Mädchen für eine Weile im Apartment der alten Mrs Fuller oder im Reihenhaus von Mr Norrington wohnte; vielleicht eine Enkelin oder die Nichte. Wenn Mrs Fuller aus der Klinik zurückkam oder Mr Norrington aus seinem Spanienurlaub, würde man sich vielleicht nach ihr erkundigen. Oder man hatte sie längst vergessen. Die Masche war so simpel wie bewährt, Ash

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