Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
Landschaft war bergiger geworden, die Autobahn voller. Auf der Rückbank des Wagens neben ihnen saß ein riesiger schwarzer Hund und starrte herüber.
    »Du hast keine Ahnung, was du mit deinen Albernheiten angerichtet hast.« Royden Cale klang nicht mehr so ruhig wie zuvor. Es ging in die zweite Runde.
    »Es tut mir leid, falls ich deine wertvolle Marke beschädigt habe.«
    »Der Film interessiert mich im Moment überhaupt nicht«, sagte Cale. »Komm her, und ich erklär dir alles.«
    »Ich bin nicht sicher, ob das besonders hilfreich wäre.«
    Ach?, dachte Ash. Das hatte am Morgen noch ganz anders geklungen.
    Parkers Vater schien sich zur Ruhe zu zwingen. »Alles steht auf dem Spiel! Alles , hörst du? Sie werden bald hier sein.«
    Die Medien? Die Paparazzi? Die lagen doch bestimmt längst vor der Villa in Wartestellung.
    »Ich –«, begann Parker, aber diesmal schnitt Cale ihm das Wort ab: »Libatique«, sagte er. »Er ist sicher schon auf dem Weg hierher.«
    Parker riss das Smartphone aus der Halterung. Das Rauschen aus den Lautsprechern brach ab. Ash konnte jetzt nicht mehr hören, was Royden Cale am anderen Ende der Leitung sagte.
    »Ich bin es leid, Dad.« Parkers Stimme war noch immer mühsam beherrscht. »Das hier ist mein Leben. Mein Gesicht. In Zukunft bestimme ich allein, was ich tue und aus welchen Gründen. Und es werden meine Gründe sein, nicht deine.« Cale antwortete etwas Unverständliches, aber Parker fuhr ihm über den Mund: »Libatique ist ganz allein dein Problem! Ich bin kein kleines Kind mehr, dem du irgendwelche Ammenmärchen erzählen kannst.« Er hielt kurz inne und fügte dann hinzu: »Sag Chimena, sie soll sich die Mühe sparen, mir zu folgen. Ich gehe nicht mit ihr. Und die Zeiten, in denen sie –« Er brach ab, als ihm Ashs Anwesenheit wieder bewusst wurde. »Das ist vorbei. Endgültig vorbei, hörst du?«
    Ash war erstaunt über sich selbst: Sie war peinlich berührt von diesem Streit, der sie doch nicht das Geringste anging. Hätte Parker in diesem Augenblick angehalten, sie wäre wohl ausgestiegen und hätte den Rest der Strecke per Anhalter zurückgelegt.
    »Mach daraus, was du willst«, sagte Parker zu seinem Vater. »Wir unterhalten uns über all das, aber nicht jetzt. Nicht, wenn du es mir befiehlst . Das hört ab sofort auf.«
    Und damit beendete er das Gespräch, schaltete das Handy aus und ließ es umständlich in seiner Hosentasche verschwinden.
    Minutenlang schwieg er, bis es Ash zu dumm wurde. »Wer ist dieser Libatique?«
    »Derjenige, dem mein Vater seinen Erfolg verdankt.«
    Sie wartete ab, aber mehr schien er dazu nicht sagen zu wollen. »Und was jetzt?«
    »Mein Vater wird sich ein Mal im Leben gedulden müssen. Wir machen einen Abstecher zu Freunden von mir und lassen ihn schmoren, bis es ihm wirklich schlecht geht.«
    Ash verdrehte die Augen. Allmählich ärgerte sie dieses Familiendrama, in das sie gegen ihren Willen hineingezogen wurde. »Ist das nicht ein wenig … ich weiß nicht, kindisch?«
    Zum ersten Mal seit dem Anruf seines Vaters wandte Parker ihr wieder den Blick zu. »Die ganze Welt verwechselt mich mit einem Idioten, der eine Elfe vögelt und mit Engeln spricht. Wie erwachsen ist das ?«

16.
    Die alten Stadtviertel von Lyon waren durchwoben von halb versteckten Passagen und Gängen, den Traboules. Tunnel führten unter den Häusern hindurch, und Eingeweihte benutzten geheime Wege von einem Hinterhof zum anderen, ohne die Gassen und Straßen zu betreten.
    Mehr als fünfhundert dieser Traboules zogen sich durch die Altstadt; manche waren für jedermann zugänglich, andere sorgfältig vor der Öffentlichkeit verborgen, hinter unscheinbaren Holztüren und Gittern, an denen die Touristen ohne einen zweiten Blick vorüberschlenderten.
    Parker hatte den BMW auf einem Parkplatz im hoch gelegenen Teil des Viertels La Croix-Rousse abgestellt. Während Ash und er eine steile Gasse hinunterstiegen, erzählte er, dass es in dieser Gegend die meisten Traboules der Stadt gebe, ein steinernes Labyrinth unterhalb der verwitternden Häuserblocks. Seit Jahrhunderten hatten die Seidenspinner hier ihre Werkstätten. Vor zehn Jahren hatte sich in der Gegend um einen der größeren Durchgänge, die Passage Thiaffait, eine bunte Künstlergemeinde angesiedelt. Ursprünglich habe es vor allem junge Modedesigner hierher gezogen, aber mit der Zeit seien auch Maler, Bildhauer, Autoren und Filmemacher hinzugekommen, die in den Altbauten von La Croix-Rousse ihre Ateliers und

Weitere Kostenlose Bücher