Asche und Phönix
Wohnungen eingerichtet hatten.
An einem Hinterhof, nur einen Steinwurf von der Passage Thiaffait entfernt, lebte einer von Parkers Freunden. Der Name Lucien Daudet sagte Ash nichts, aber als sie ihm schließlich in einem dämmerigen Treppenhaus gegenüberstand, erkannte sie ihn sofort. Er lehnte in seiner Wohnungstür, trug eine Kochschürze und erwartete sie mit einem breiten Grinsen, das Welten entfernt war von Parkers brütender Melancholie.
Lucien Daudet war sehr schlank, sein schönes Gesicht fast androgyn. Er hatte langes blondes Haar, wild gelockt, das heftig gegen das Gummiband ankämpfte, mit dem er es im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Sein offenes Lachen war einnehmend und seine Augen flirteten bereits mit Ash, ehe sie ein Wort gewechselt hatten.
Er und Parker hätten äußerlich kaum unterschiedlicher sein können. Parker war fraglos derjenige, dessen Attraktivität eher den Massengeschmack traf; kantiger und kräftig, aber mit einer Verletztheit im Blick, die trotz seines Körperbaus Beschützerinstinkte weckte. Dagegen war Luciens Schönheit extravaganter und verzauberte einen anderen Teil des weiblichen Publikums umso nachhaltiger.
»Tut mir leid«, sagte Ash, nachdem Parker sie einander vorgestellt hatte, »ich hab nur den ersten Glamour -Film gesehen. Ich kann mich an dein Gesicht erinnern, aber ich weiß nicht mehr –«
»Der schwule Engel«, sagte Lucien, während er sie durch einen karg eingerichteten Flur führte. »Das war ich.«
Parker sah grinsend zu Ash herüber. »Thanael ist nicht schwul. Nur Lucien behauptet das.«
»Im Buch ist er es nicht«, sagte Lucien und betrat als Erster eine imposante Küche. »In den Filmen schon. Sie haben mich ausstaffiert wie einen Transvestiten im Brautkleid. Und sie meinten, mein Akzent müsse noch fron-sö-si-schär klingen – O-Ton des Regisseurs. Mit den Flügeln hab ich am Ende ausgesehen, als wäre ich vom Weihnachtsbaum eines Pariser Friseurs gefallen.«
Er brachte Ash zum Lachen, und das gefiel ihr. Mit knurrendem Magen sah sie sich in der geräumigen Altbauküche um. Ihre Augen tasteten ganz von selbst über jedes Detail: jahrelange Gewohnheit, sie konnte gar nicht mehr anders. Vor einem hohen Fenster zum Innenhof stand ein langer Holztisch mit eingekerbter Oberfläche, darauf eine entkorkte Flasche Rotwein. In den Regalen reihten sich Dosen und Schachteln aneinander, Gläser mit Eingelegtem, stapelweise Kochbücher. Auf einem antiquierten Gasherd dampfte es aus mehreren Töpfen und Pfannen. Es roch nach gebratenem Fleisch und Gewürzen, die ihr sehr exotisch vorkamen. Allerdings verstand sie vom Kochen so viel wie vom Reisen.
»Ich muss mich noch ein paar Minuten um das Essen kümmern«, sagte Lucien. »Heute Abend gibt’s eine kleine Feier unten im Hof. Ihr seid herzlich eingeladen. Das hier sind ein paar typische Lyoneser Gerichte.« Er nahm den Deckel von einem Topf und linste mit zufriedenem Grinsen hinein. »Wenn ihr wollt, könnt ihr euch ins Wohnzimmer verziehen. Nehmt den Wein mit.« Er warf Parker einen wissenden Blick zu. »Irgendwo ist auch noch Whiskey.«
»Besser nicht.«
Lucien sah Ash an. »Und du? Lieber Weißwein?«
»Gar nichts, danke.«
Er wandte sich mit einem Augenzwinkern an Parker. »Wen hast du denn da mitgebracht? Sie hat nur einen deiner Filme gesehen, kennt den schwulen Engel nicht und scheint auch sonst nicht allzu beeindruckt von unserer Kunst zu sein. Ich wusste nicht, dass es außerhalb Frankreichs noch so jemanden gibt.«
»Außerhalb Frankreichs?«, fragte Ash.
» The Glamour ist hier nur halbwegs erfolgreich«, sagte Parker achselzuckend. »Was vermutlich daran liegt, dass es hier eine echte Filmkultur gibt und die Leute nicht zwangsläufig das schlucken, was Hollywood ihnen in den Rachen stopft.«
Lucien stieß einen Seufzer aus. »Aber auch das ändert sich. Wir werden genauso mit Multiplexen, IMAX und 3-D überrollt wie der Rest der Welt.«
Parker deutete auf ein paar altmodische Plakate, die in Glasrahmen an der Küchenwand hingen. Le Cercle Rouge , Jules et Jim und Les Aventuriers . »Ich würde am Set den Kaffee kochen, um bei so einem Film dabei zu sein.«
Lucien nahm mit dicken Stoffhandschuhen den größten Topf vom Herd. »Hast du Ash von Le Mépris –«
»Nein«, unterbrach Parker ihn. »Niemandem.«
Ash sah ihn fragend an.
»Hat nichts mit dir zu tun«, sagte er.
Sie zuckte die Achseln, nahm nun doch die Weinflasche vom Küchentisch und verließ die Küche. »Wo
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