Asche und Phönix
Hekate hatte nur wenige Jahre Bestand, aber Nineangel blieb noch eine Weile in Los Angeles. Oder war es San Francisco?« Die Frage war an Cale gerichtet, der aber keine Antwort gab, weil er genug damit zu tun hatte, nicht zu ersticken. »Egal. Dein Vater wurde damals ein erfolgreicher Geschäftsmann und eine Zeit lang ließ ich ihn gewähren. Ich hatte anderswo auf der Welt zu tun und, um ehrlich zu sein, Kalifornien langweilte mich zu Tode. Dein Vater war schlau genug, sein Gesicht in die Kameras zu halten, bis er selbst berühmter war als die Autoren, die er verlegte. Auf seinen Sendern wurde bald mehr über ihn berichtet als über irgendwen sonst … Er hat es geschickt angestellt, denn solange sein Name in aller Munde war, hatte ich aus der Ferne teil an seinem Ruhm, ohne zu ahnen, dass er ihn nicht durch seine Malerei gewonnen hatte, sondern auf die falsche Weise – mit Hilfe seines Geldes. Erst als mir klar wurde, dass er unser Abkommen gebrochen hatte, suchte ich ihn auf und stellte ihn zur Rede.«
Er kehrte zu Cale zurück und klopfte ihm mit dem Stock aufs Knie.
Parkers Vater ächzte und schien nahe daran, das Bewusstsein zu verlieren.
»Royden hatte natürlich längst begriffen, dass sein Verrat irgendwann Konsequenzen haben würde, und so hat er versucht, für diesen Fall vorzusorgen. Schon Mitte der Siebzigerjahre hatte er durch seine alten Kontakte zu den okkulten Kreisen an der Westküste Verbindung zu Nineangel und seinem Orden aufgenommen, einem der wenigen ernst zu nehmenden Kulte jener Zeit. Nineangel besaß ganz erstaunliches Wissen, und damit einher ging eine gewisse Macht. Wahrscheinlich war deinem Vater nicht bewusst, mit wem er sich da einließ. Ich neige unglücklicherweise dazu, die Dinge manchmal ein wenig schleifenzulassen, sonst hätte dein Vater nicht mal die Siebziger überlebt. Hekate dagegen … nun, sie ist anders.« Er beugte sich vor, streckte die Zunge aus dem Mund und leckte Blut von Cales zerstörtem Nasenrücken. »Vergiftet bist du«, fauchte er, als er sich wieder aufrichtete. »Selbst dein Blut schmeckt nach dieser Hure!«
Es war nicht das erste Mal, dass Libatiques Laune derart unvermittelt umschlug. Im einen Moment betrieb er gepflegte Konversation, im nächsten stand in seinen Augen der Wahnsinn eines Massenmörders.
Doch auch diesmal beruhigte er sich wieder. »Parker, dein Vater könnte dir mehr darüber erzählen, wie er Nineangel ausfindig gemacht hat. War es im Chateau Marmont in Hollywood, Royden?«
Cale schien jetzt endgültig bewusstlos zu sein und Parker vermutete, dass er starb. Warum berührte ihn diese Vorstellung nicht stärker? Dieses blutende Wrack war immer noch sein Vater. Und zugleich der Mann, der ihn ans Messer geliefert hatte. Ihn – und womöglich auch Ash, irgendwo in diesem Haus.
»Was ist mit meiner Mutter passiert?«, fragte er.
Libatique trat hinter Cale, hielt den Stock quer über dessen Kehle und hob damit sein Kinn an. Ein leises Stöhnen drang aus dem verquollenen Mund, doch die Augen blieben geschlossen. »Hekate verlangte ein Opfer. Sie gab deinem Vater etwas, das ihn vor mir beschützen würde – dich, mein Junge –, aber dafür forderte sie auch etwas.«
Parkers trockene Lippen fühlten sich an, als rissen sie gleichzeitig an mehreren Stellen auf. Er brachte keinen Ton hervor. Sein Blick wanderte erneut zum Gesicht seines Vaters und er versuchte sich an früher zu erinnern, an die wenigen wirklich guten Momente zwischen ihnen. Aber die Bilder, die ihm dazu einfielen, färbten sich in seinen Gedanken schwarz wie Fotos, die zu nah an ein Feuer gerieten.
Noch immer dröhnte die Drehorgelmusik durch die Villa.
»Sieh mal, Parker«, sagte Libatique in gönnerhaftem Tonfall, »im Grunde bin ich bin kein schlechter Geschäftspartner. Was ich für meine Dienste nehme, ist ganz und gar immaterieller Natur. Ein wenig von deinem Ruhm, während du lebst – und das spürst du nicht einmal, er kommt auch über weite Entfernungen zu mir –, und erst später, wenn du stirbst, all dein Talent. Nicht, dass mir deines etwas bedeuten würde. Ich habe Schauspieler noch nie gemocht, aber so lautet der Deal. Etwas von der … nennen wir es Energie deiner Berühmtheit. Wohlgemerkt, nach deinem Tod, wenn du keine Verwendung mehr für sie hast. Klingt das für dich nach einem schlechten Handel? Es gibt nur eine einzige Bedingung, und auf ihre Einhaltung muss ich bestehen: Du darfst dich nicht von deiner wahren Berufung abwenden. Das
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