Asche und Phönix
sein Blick blieb fest auf Parker gerichtet. »Besser wäre es für sie.«
»Sie hat nichts mit alldem hier zu tun.«
»Falls sie noch in der Nähe ist, wird Guignol sie finden.«
Vielleicht hatte Guignol nur einen der Wachleute gehört. Womöglich war es ihm draußen nicht gelungen, sie alle zu töten, und einer war ins Haus geschlichen, um den Störsender auszuschalten und Hilfe herbeizurufen.
Immerhin verstand Parker jetzt, warum der Sender überhaupt aktiviert worden war. Sein Vater hatte geglaubt, mit Libatique verhandeln und ihm Parker ausliefern zu können, um sich so seine Vergebung zu erkaufen. Dabei hätte gerade er es besser wissen müssen.
»Du bist ein solcher Narr, Royden«, sagte Libatique. »Du hättest deinem Sohn die Wahrheit sagen müssen. Wer weiß, vielleicht hätte er dich sogar verstanden.«
Anderswo im Haus erklang Musik, eine klimpernde Drehorgelmelodie. Jemand hatte die Karussells in Gang gesetzt.
»Du brauchst mich«, sagte Parker zu Libatique. »Es gibt heutzutage nicht mehr viele Maler, die es in Sachen Berühmtheit mit uns Schauspielern aufnehmen könnten. Du kannst ihnen Erfolg geben, aber was bedeutet das heute noch? Vielleicht Millionenpreise für ihre Bilder. Aber echten Ruhm ? Die meisten Menschen interessieren sich einen Scheiß für Malerei, und du weißt das! Jeder Fernsehkoch ist berühmter als jemand, der wahre Kunst erschafft.«
Ein Blick auf Libatique genügte, um zu erkennen, dass Parker den Finger in eine offene Wunde gelegt hatte. Der Drittplatzierte einer Castingshow würde seinen Hunger nach Ruhm eher stillen als ein genialer Maler, dessen Name nur einem elitären Zirkel bekannt war. Libatique hatte seinen Zenit schon vor langer Zeit überschritten und gehorchte jetzt allein seinem Überlebensinstinkt.
»Dein Sohn«, sagte Libatique zu Cale, »ist ein kluger Junge. Ich frage mich nur, was er vorhat. Will er mich herausfordern?« Er näherte sich Parker, als müsste er an ihm riechen, um ihn zu durchschauen. »Ist es das, Parker Cale? Suchst du nach meinen Schwächen? Dann gebe ich dir einen Rat: Lass es nicht darauf ankommen, denn ich kenne deine !«
Ein Schuss krachte irgendwo im Haus, gleich darauf ein zweiter.
Libatiques Gesicht schwebte unmittelbar vor Parker. Ein feines Lächeln machte die blutleeren Lippen noch schmaler. »Du und ich, Parker Cale, wir werden ein Abkommen schließen.«
Es konnte nicht Ash sein. Unmöglich.
»Ich kann dich nicht mit Gewalt dazu zwingen, denn das wäre kein Pakt«, fuhr Libatique fort, und Parker fragte sich, ob er wohl durch Guignols Augen sehen konnte. Wusste er, was anderswo in der Villa vor sich ging? »Du wirst mir freiwillig alles geben, was ich von dir haben will. Denn tust du es nicht, wird Guignol deine kleine Freundin vor unseren Augen in Streifen schneiden.«
Parkers Vater hatte zuletzt kein Wort mehr gesprochen, aber jetzt rührte er sich wieder unter seinen Bandagen aus Klebeband. »Bring es zu Ende, Libatique. Schließ deinen Pakt mit ihm und verschwinde von hier.«
Die Bewegung, mit der Libatique ausholte, kam so schnell, dass Parker sie kaum bemerkte. Der Gehstock krachte ins Gesicht seines Vaters. Blut schoss aus den Nasenlöchern, die Oberlippe riss auf. Cales Kopf flog in den Nacken, federte wieder nach vorn und blieb sekundenlang auf seiner Brust liegen.
In der Ferne begann eine neue Karussellmelodie.
Royden Cale hob langsam das Gesicht, sah Parker an und brachte mit Blutblasen in den Mundwinkeln Worte hervor: »Er wird sie töten, Parker … Wenn du nicht … tust, was er verlangt … dann wird sie sterben …«
Libatique trat einen Schritt von den beiden zurück. »Ja, Parker, hör auf deinen Vater. Wie wir alle wissen, meint er es gut mit dir.«
»Wenn du Ash auch nur ein Haar krümmst, werde ich niemals freiwillig etwas für dich tun!«
Ein Seufzen kam über Libatiques Lippen. »Ich weiß, ich weiß … Es ist eine dumme Regel, aber ich habe sie nicht gemacht. Freiwilligkeit ist eine lästige Angelegenheit. Und, um ehrlich zu sein, wie freiwillig ist das alles, wenn im Gegenzug der Mensch bedroht wird, den man … nun, gernhat, vielleicht? Begehrt? Liebt, sogar?« Seine Augen blitzten, sonst regte sich nichts in diesem Gesicht. »Doch so lautet die Regel und daran haben wir uns zu halten. Eigentlich sollte ich dich mit Erfolg locken und davon überzeugen, dass alles nur zu deinem Besten ist. Aber die Dinge sind wohl ein wenig zu kompliziert geworden. Dennoch ist es letztlich ganz
Weitere Kostenlose Bücher