Asche und Phönix
Kapital, das du mit in unser Geschäft bringst, ist deine Kunst. Das, wovon du etwas verstehst. Malerei im Falle deines Vaters, bei dir die Schauspielerei. Ihr musst du treu bleiben, koste es, was es wolle. Und ausgerechnet diesen einen Punkt konnte Royden nicht respektieren.«
Parker war Libatiques Gerede leid und ohnehin interessierte ihn nur noch eine einzige Sache. »Was hat er meiner Mutter angetan?«
»Anfang der Neunziger habe ich deinem Vater einen Besuch abgestattet, in seinem Anwesen in Oxfordshire. Damals ließ er gerade dieses Haus hier bauen. Ich hätte ihn gleich töten können, aber stattdessen stellte ich ihm ein Ultimatum. Ich habe ihm ein Jahr Zeit gegeben, um die Uhr zurückzudrehen, seine Firmen aufzugeben und wieder mit dem Malen zu beginnen. Es hätte alles so einfach sein können. Für ihn, für mich, für deine Mutter. Aber er war nicht bereit dazu. Natürlich sagte er mir das nicht ins Gesicht, aber ich konnte es ihm ansehen. Trotzdem gab ich ihm seine Chance. Doch dein Vater ging gleich daran, das in die Tat umzusetzen, was Nineangel ihm Jahre zuvor geraten hatte. Royden zeugte ein Kind, und während deine Mutter dich austrug, ließ er die Villa fertigstellen. Du bist hier geboren worden, Parker. Und Hekate hat Wort gehalten. Deine Mutter und Royden bekamen einen Sohn, dessen Existenz mich von deinem Vater fernhielt. Einen Sohn, der noch vor seiner Geburt von Hekate berührt und gesegnet worden war. Zugleich sandte sie euch Chimena als deine Wächterin. Du hast gewusst, dass sie keine gewöhnliche Frau war, oder?«
Parker nickte wie betäubt.
»Du warst für deinen Vater etwas wie ein … nun, benutzen wir die Sprache deiner scheußlichen Filme: wie ein Schutzzauber. Ein Bann, der mich fortgestoßen hat, sobald ich einem von euch zu nahe gekommen bin. Und solange du sein Sohn warst, blieb dieser Schutz bestehen. Erst als du dich vor zwei Tagen von ihm losgesagt hast, als du verkündet hast, du wolltest nicht länger der Sohn von Royden Cale sein , da verlor Hekates Bann seine Wirkung. Und hier bin ich!«
Parker versuchte, den ganzen Irrsinn dieser Behauptungen nicht an sich heranzulassen. Es wäre lächerlich gewesen, so absurd wie die Einfälle der Glamour -Autoren, hätte ihm nicht ausgerechnet Libatique all das erzählt. Libatique, der augenscheinlich kein Mensch war.
»Deine Mutter war der Preis, den Hekate verlangt hat. Für ihre Hilfe forderte sie von deinem Vater, dass er ihr den Menschen opfert, den er mehr liebt als irgendjemanden sonst. Und er hat sie geliebt, abgöttisch sogar.« Mit einem Nicken deutete er auf den leblosen Cale. »Nur sich selbst liebte er leider noch ein wenig mehr.«
Für Parker klang seine eigene Stimme, als spräche ein anderer. »Er hat sie ermordet?«
»Oben auf dem Berg.« Libatique zeigte wieder hinaus in die Abenddämmerung. »Diese Ruine war einmal ein Versammlungsort des Ordens der Hekate. Vermutlich hat Nineangel deinem Vater geraten, es dort zu tun. Royden hat versucht, den ganzen Berg zu kaufen, aber den hat man ihm nicht gegeben. Also erwarb er dieses Stück Land hier unten im Tal, so nah wie möglich bei der Ruine und Hekates Macht. Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, ob heute noch etwas übrig ist von ihrer Präsenz in diesem Gemäuer. Orte wie dieser sind irgendwann ausgesaugt und leer. Aber Royden hatte den Auftrag erhalten, sein Opfer dort darzubringen, gleich in den ersten Wochen nach deiner Geburt. Möglicherweise hat er deine Mutter betäubt oder sie unter einem Vorwand dort hinaufgelockt.«
Parker starrte seinen Vater an, selbst eine Ruine, blutend, schmerzend, ohne Bewusstsein. Er wünschte sich, er hätte aufstehen und ihn mit eigenen Händen töten können.
»Doch wie er es auch angestellt hat«, sagte Libatique, »am Ende lag sie auf Hekates Altar und die Opferung wurde vollzogen.«
39.
Ash feuerte zweimal, während sie die Stufen hinunterrannte.
Guignol war keine drei Meter vor der Treppe, als die erste Kugel in seinen Bauch schlug. Er taumelte einen halben Schritt zurück, straffte sich und wollte wieder nach vorn stürmen. Da traf ihn die zweite Kugel und zerschmetterte sein Brustbein. Er stieß einen Schrei aus, vielleicht weniger vor Schmerz als vor Wut, weil ihn der Einschlag erneut nach hinten stieß, diesmal fast zwei Schritte.
Ash genügte das. Während er die Arme nach ihr ausstreckte, lief sie den Gang hinab in Richtung der Anbauten. Über die Schulter sah sie durch die Zwischenräume der Stufen, wie er
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