Asche und Phönix
drückte sie sachte die Türklinke nach unten.
Guignol spannte sich zum Angriff. Er war nur noch wenige Schritte von ihr entfernt, auf Höhe des mittleren Zwingers.
Alle sechs Hunde setzten sich gleichzeitig in Bewegung. Sie warfen sich gegen die Gittertüren und rammten sie nach außen. Die mittlere traf Guignol und stieß ihn fast zu Boden.
Ash öffnete die Tür ins Freie, gerade weit genug, dass sie hindurchpasste. Klare Abendluft drang ihr entgegen.
Guignol schrie und holte mit dem Messer aus, als der erste Hund sich auf ihn warf. Jaulen und Knurren wurden eins, ein ungeheuerliches Getöse. Schmerzenslaute auf beiden Seiten, dann ein gellendes Kreischen, so fern von allem Menschlichen, dass Ash sich fast in die Hose machte. Sie stolperte aus dem Raum und zog die Metalltür hinter sich zu.
Der Lärm drang gedämpft zu ihr heraus. Guignol wehrte sich noch immer, Tiere heulten schmerzerfüllt auf, aber die Laute gingen sofort in noch wütenderem Bellen und Knurren unter.
Ash entfernte sich rückwärts von der Tür und hielt dabei die Pistole mit beiden Händen im Anschlag. Sobald jemand ins Freie käme, würde sie feuern. Guignol, die Hunde, sogar Libatique – sie rechnete mit allem. Sie hätte ihren Vorsprung nutzen müssen, um davonzulaufen, aber etwas hinderte sie daran.
Parker war noch da drinnen. Und sie wusste verdammt noch mal nicht, ob er lebte und ob es überhaupt eine Möglichkeit gab, ihn zu retten.
Der Himmel hatte sich noch nicht völlig verdunkelt, aber die Gipfel über dem Tal waren finster und flach geworden, als hätte man ihre Umrisse aus graublauer Pappe ausgeschnitten. Ein Lichtpunkt glühte über der Bergkuppe, dort, wo das Mondhaus stehen musste. Ein erleuchtetes Fenster.
Oder ein Stern. Der erste an diesem Abend.
Die Raserei hinter der Eisentür hielt an, aber jetzt hörte Ash nur das Knurren und Schnappen der Hunde, und bald ging es in reißende, schmatzende Laute über.
Sie wartete minutenlang. Und während der ganzen Zeit rührte sie sich nicht, hielt die Automatik mit ausgestreckten Armen, bis sich ihre Muskeln verkrampften und sie den Schmerz nicht mehr aushielt. Erst dann ließ sie die Waffe sinken und setzte sich in Bewegung, langsam, weil sie nicht sehen wollte, was sie dort drinnen erwartete.
Behutsam öffnete sie die Tür einen Fingerbreit. Der Gestank war jetzt noch schlimmer. Sie hörte leises Hecheln, sonst nichts. Bitte, dachte sie, nicht alle sechs.
Es war nur einer. Er lag auf der Seite, schlimm zugerichtet, und Guignols Messer steckte in seinem Leib. Die fünf anderen waren fort, aber ein Strom aus roten Pfotenabdrücken führte hinaus aus dem Zwingerraum.
Der Hund lebte noch. Ash konnte nicht mitansehen, wie er litt, aber es fiel ihr schwer, die Mündung der Waffe an seinen Kopf zu setzen. Sie musste sich zwingen, den Finger um den Abzug zu krümmen, doch als sie gerade abdrücken wollte, hörte das Tier auf zu atmen. Mit Tränen in den Augen zog sie die Waffe zurück und streichelte sein nasses Fell.
Was von Guignol übrig war, hatten die Hunde über den vorderen Teil des Raumes verteilt. Manches zuckte noch, weil das, was ihn am Leben gehalten hatte, ihn auch jetzt noch nicht vollends verlassen hatte. Ash hatte genug Filme gesehen, um zu wissen, was sie tun musste. Schaudernd verteilte sie die Körperteile auf die drei Zwinger und zog die Gittertüren ins Schloss. Manches war klein genug, um zwischen den Stangen wie nässende Nacktschnecken zueinanderzukriechen, aber das meiste – die wichtigen Teile – passte nicht hindurch.
Zuletzt musste sie den Atem anhalten, um den Gestank zu ertragen, und sie holte erst wieder Luft, nachdem sie der Spur des Hunderudels hinaus auf den Gang gefolgt war.
In der Ferne meinte sie die Tiere zu hören, das Scharren ihrer Krallen auf den Fliesen, irgendwo in den Tiefen des Hauses. Ihrem Herrn treu ergeben suchten sie nach Royden Cale.
40.
Parker saß da und blickte seinen Vater an. Er hatte immer mit Lügen gerechnet, mit Geheimnissen um das Verschwinden seiner Mutter. Nur nicht damit.
»Ist das wahr?«, fragte er.
Royden Cale hing vornübergebeugt im Klebeband und keuchte leise. Fluchend stemmte Parker sich gegen seine Fesselung und brachte dabei fast den Stuhl zum Umkippen.
»Dad, verdammt!«
Libatique lächelte, während er im Kreis um seine Gefangenen wanderte, den Stock über die Schulter gelegt, und dabei leise summte. »Sieht aus, als hätte ich ein kleines Familiendrama im Hause Cale
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