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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Hand!«
    Parkers Arm war an seinen Oberkörper und den Stuhl gefesselt. »Und wie soll ich das anstellen?«
    Maßlose Gier stand in Libatiques Augen. Das Messer zuckte auf Parker zu und schnitt durch das Klebeband unter seiner Achsel bis zum Handgelenk. Die Klinge ritzte seine Haut, aber das spürte Parker kaum. Mit einem Mal war sein linker Arm frei.
    »Dein Hand!«, befahl Libatique.
    Die Hunde bellten nicht mehr.
    Parkers Arm pochte und kribbelte, als er ihn bewegte und langsam ausstreckte. Wenn er mehr Zeit gehabt hätte, hätte er sich befreien können, aber noch hielten ihn die Reste des Bandes an der Stuhllehne fest.
    Libatiques Mundwinkel zuckten. Er konnte nur abwarten, bis Parker ihm die Hand aus freien Stücken reichte. Erregt streckte er ihm seine blutigen Finger entgegen. Parker legte seinen Handrücken darauf. Die Innenfläche wies nach oben, als bäte er um ein Almosen.
    »Nur ein kleiner Schnitt«, sagte Libatique und setzte die Messerspitze zwischen Parkers Daumen und Zeigefinger an. Das fremde Blut war eiskalt, als es zwischen seinen Fingern heraufquoll, um wie ein amöbenhaftes Ding dorthin zu kriechen, wo Libatique ihm die Wunde zufügen wollte.
    Draußen vor der Tür ertönte ein Scharren und Rascheln. Royden Cale brachte erneut ein Krächzen hervor.
    Parker riss sich los und stieß sich mit seinem Stuhl nach hinten, fort von Libatique. Das Klebeband platzte beim Aufprall an der Schnittkante auseinander. Sein Hinterkopf knallte auf den Boden, zugleich kam sein Oberkörper frei.
    Libatique fuhr mit einem wütenden Schrei herum.
    Die Hunde strömten zur Tür herein.
    Parker hob den Kopf und rief:

41.
    »Fass!«
    Ash hörte Parkers Ruf, als sie erneut die Karussellhalle durchquerte. Seine Stimme war weit entfernt und doch laut genug, um sie bis ins Herz zu treffen.
    Gleich darauf erklang Hundeknurren und wütendes Bellen.
    So schnell sie konnte, folgte sie den klebrigen Spuren der Tiere hinaus auf einen weiteren Korridor. Hier bedeckten dicke Teppiche den Boden. An den Wänden hingen gerahmte Fotos von Parker als Kind und Teenager – keines aus seinen Filmen –, dazwischen Bilder, die sie an alte Plattencover erinnerten. Langhaarige Frauen und Männer mit Blumenkränzen und weiten Gewändern.
    Jemand schrie. Zugleich jaulte einer der Hunde auf. Das Knurren der anderen wurde noch aggressiver.
    Ash passierte ein opulentes Schlafzimmer. Gleich daneben stand die Tür zu einem Bad mit Whirlpool und Sauna offen. Die Pfotenabdrücke des Hunderudels führten daran vorbei und weiter hinten um eine Ecke.
    Das Lärmen der Tiere klang jetzt näher. Mit der Pistole in der Hand stürmte Ash auf die Biegung zu.
    Schritte kamen in ihre Richtung.
    Sie blieb stehen und hob ihre Waffe.
    »Ash!«
    »Oh, shit!« Sie hätte beinahe abgedrückt. Im letzten Augenblick ließ sie die Pistole sinken.
    Parkers Sweater war zerfetzt, sein Oberkörper blutig. Ein Schnitt führte von der Achsel seitlich an seiner Brust hinunter.
    »Ich hab dich gesucht«, stieß er aus. »Ich dachte schon, Guignol hätte –«
    »Guignol ist tot.« Aber war er das nicht die ganze Zeit über gewesen?
    Parker nahm sie in die Arme und drückte sie an sich. Einen Moment lang stand sie stocksteif da, ohne die Umarmung zu erwidern, zu überrascht, zu erleichtert, und als sie gerade die Arme heben wollte, um es ihm gleichzutun, da ließ er sie schon wieder los.
    »Komm!« Er packte sie an der Hand und zog sie mit sich. »Wir müssen hier weg!«
    »Was ist passiert?«
    »Die Hunde … Hast du die freigelassen?«
    Sie nickte.
    »Gut gemacht! Sie haben sich auf Libatique gestürzt. Ich weiß nicht, wie lange sie ihn aufhalten werden, aber –«
    »Guignol haben sie in Fetzen gerissen.«
    »Umso besser. Aber Libatique ist nicht Guignol.«
    Sie liefen in die Halle und vorbei an den Karussells. Die Drehorgelmusik war verstummt, aber alle Lampen brannten noch immer. Lichter in hundert Farben huschten über die beiden hinweg.
    »Was ist mit der Verletzung?«, fragte sie.
    »Nur ein Kratzer.«
    Ash hielt ihn an der Hand zurück. »Und dein Vater?«
    Er wich ihrem Blick aus. »Vergiss ihn.«
    Sie wollte nachhaken, aber da stürmte er schon wieder los. Im Hintergrund erklang neuerliches Hundeheulen. Ash schloss zu ihm auf. »Ist er … ich meine …«
    »Ich hab ihn nicht retten können.«
    Etwas in seinem Tonfall sagte ihr, dass das nicht alles war. Aber sie gab sich damit zufrieden, lief an seiner Seite hinaus ins Wohnzimmer und in einem Bogen um die

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