Asche und Schwert
»Nur diejenigen, die sterben werden. Namenlos und vergessen. Den anderen nur wegen unserer Verbrechen im Gedächtnis.«
»Von welchem Verbrechen sprichst du?«, fragte Spartacus, der trotz ihrer Situation neugierig war.
»Ich habe einen Römer umgebracht«, erwiderte die Frau und lächelte düster.
Varro rümpfte die Nase und ging davon. Er setzte sich auf eine Bank und zog die Lederbänder seiner Stiefel straff, als sei die Nachbarzelle samt den Gefangenen darin plötzlich verschwunden. Spartacus jedoch umfasste das Gitter und beugte sich näher zu der Frau.
»Wen hast du umgebracht?«, fragte er.
»Marcus Pelorus«, erwiderte sie und genoss die Ãberraschung in seinen Augen.
»Bei allen Göttern«, flüsterte Spartacus. » Du hast Marcus Pelorus getötet?«
»Ich habe ihm die Kehle mit einem Obstmesser aufgeschlitzt. Ich habe zugesehen, wie er in seinem eigenen Blut ertrunken ist.«
»Warum hast du das getan?«
»Für einen Augenblick war ich frei«, sagte sie.
»Wie weit bist du gekommen?«
»Wir haben es bis zum oberen Ende der Treppe geschafft.« Sie zuckte mit den Schultern.
Spartacus starrte auf den staubigen Boden.
»Du bist die Nächste«, sagte er nach einer Weile. »Wenn die menschlichen Fackeln niedergebrannt sind, beginnen die Hinrichtungen durch die wilden Tiere.«
»Welche Tiere werden das sein?«
»Löwen«, sagte Spartacus.
»Da scheinst du dir ziemlich sicher zu sein.«
»Das hat man mir jedenfalls gesagt.«
Sie nickte nachdenklich.
»Gibt es Hoffnung für uns?«, fragte sie.
»Nein«, sagte Spartacus.
»Du bist ehrlich.«
»Das ist nicht die Zeit für Lügen.«
»Du sagst die Wahrheit. Aber sie werden sich ohnehin an mich erinnern. Wenn du mir zeigst, wie man kämpft.«
In seiner Ecke stieà Varro erneut ein verächtliches Schnauben aus.
»Ich?«, sagte Spartacus. »Ich soll einer Frau der Geten Ratschläge geben?«
»Ich bin schon tot«, sagte sie. »Zeig mir, wie ich einen römischen Löwen mit mir nehmen kann, rein aus Trotz.«
Spartacus rief sich die vielen Lektionen Dragos ins Gedächtnis und antwortete, wie sein Ausbilder es getan hätte.
»Du bist nicht unbewaffnet«, sagte er. »Du hast deine Ketten. Du hast die Sonne und die planlose Wildheit deiner Angreifer. Du hast den Sand und den Staub vom Boden der Arena.«
Noch während er sprach sah er, dass ihm immer mehr Gefangene zuhörten. Jetzt standen die Leidensgenossen der Frau aufmerksam an den Gitterstäben zwischen den beiden Zellen und nahmen jedes seiner Worte in sich auf.
»Auch kleine Dinge können als Waffe verwendet werden. Zwar ist dafür gesorgt, dass keine Steine in der Arena liegen, aber ihr solltet euch nach dem umsehen, was jene, die vor euch kamen, zurückgelassen haben. Knochen. Nägel. Splitter.«
Sie nickte.
»Und ihr solltet begreifen«, fuhr Spartacus fort, »dass ihr sterben werdet. Nichts vermag daran etwas zu ändern.«
Grimmig sahen ihm die Sklaven in die Augen.
»Das wissen wir«, sagte die Frau. »Tief im Innersten war uns klar, dass wir nicht weit kommen würden. Aber es war besser, frei zu sein, wenn auch nur für ein paar Augenblicke.«
»Dann werdet ihr wieder frei sein«, sagte Spartacus. »Ihr werdet so lange frei sein, bis es den Löwen gelingt, euch zu fressen.«
»Wir werden kämpfen«, sagte sie.
»Fortuna möge mit euch sein«, erwiderte Spartacus.
Die schwere Tür zur Arena schwang auf, und mehrere Wachen in Rüstungen kamen herein. Sie öffneten die Tür zur Nachbarzelle, zerrten die mit Ketten gefesselten Sklaven auf den Gang und drängten sie zum Licht.
Die Frau warf Spartacus einen Blick zu, als sie aus der Zelle geholt wurde, und rief ihm etwas zu, als sie und ihre Mitgefangenen ihre letzte Reise antraten.
»Denk an mich«, sagte sie. »Denk daran, dass ich für einige Augenblicke frei war.«
»Wer bist du?«, rief er ihr hinterher.
»Ich bin Medea«, rief sie zurück. »Wie ist dein Name?«
»Mein Name ist â¦Â«, begann er, doch da hatte sich das groÃe Tor schon mit einem dumpfen Krachen geschlossen.
»Sie hat einen Römer umgebracht«, sagte Varro leise. »Einen Römer wie mich.«
»Ich habe viele umgebracht«, entgegnete Spartacus mit einem Schulterzucken.
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