Asche und Schwert
»Genauso wie du.«
»Trotzdem«, sagte Varro. »Meine Gegner haben sich freiwillig gemeldet, oder sie mussten für die Verbrechen bezahlen, die sie begangen hatten. Ihr Opfer nicht.«
Es dauerte nicht lange, dann wehte der Wind den Gestank auf den Balkon, der nicht wie bei der vor Kurzem stattgefundenen Beerdigung durch sanfte Düfte nach Zedernholz oder asiatischen Gewürzen gemildert wurde. Stattdessen stieg Lucretia der Geruch von angesengtem Fleisch und verbranntem Haar in die Nase, vermischt mit dem unverwechselbaren Gestank billigen Lampenöls.
Inzwischen hatte sich für die Menge der Reiz des Neuen abgenutzt. Als man die Feuer entzündet hatte, waren die Schreie und das Flehen der Opfer vom Publikum noch mit Jubelrufen beantwortet worden, und die Zuschauer hatten aufgeregt nach Luft geschnappt, als sich herausstellte, dass einige Kleidungsstücke leichter in Flammen aufgingen als andere. Die Menge johlte und reagierte mit gespieltem Entsetzen auf einige höchst farbige Flüche, die den zuschauenden Römern von einigen der älteren Sklaven an den Kopf geworfen wurden, doch als das Feuer die ersten Opfer verstummen lieà und der Rauch sie bewusstlos machte, gab es bald nichts mehr zu sehen als eine Reihe brennender Leichen.
»Man würde erwarten, dass sich der Pöbel danach sehnt mitzuerleben, wie Gerechtigkeit geübt wird«, murmelte Batiatus.
»Vergiss nicht, dass es Mittag ist, Quintus«, sagte Lucretia.
»Richtig«, stimmte er ihr zu. Im Raum hinter dem Balkon gab es rege Aktivitäten. »Worauf, genau im richtigen Augenblick«, fuhr Batiatus fort, »weitere Erfrischungen gereicht werden.«
Drei Sklaven erschienen mit groÃen Platten voller Speisen. Ãberrascht bemerkte Batiatus, dass unmittelbar dahinter zwei Neuankömmlinge eintrafen. Die Spitze bildete Gaius Verres, der über das ganze Gesicht strahlte und aussah, als wolle er jedem auf die Schulter klopfen. Er führte einen ernsthaft aussehenden jungen Mann auf den Balkon, der bereits kahl zu werden begann und eine in aller Eile ausgesuchte Toga trug.
»Da seid Ihr ja!«, rief Batiatus. »Wir hatten schon befürchtet, wir hätten uns in die falsche Arena verirrt.«
»Quintus Lentulus Batiatus«, sagte Verres lächelnd, »und seine Frau Lucretia, sowie Ilithyia, die Ehefrau von Gaius Claudius Glaber. Und das ist Marcus Tullius Cicero, der soeben in Geschäften der Republik in dieser Stadt eingetroffen ist.«
»Willkommen! Willkommen!«, sagte Batiatus hastig. »Ihr kommt genau zur rechten Zeit. Gleich beginnt die Hauptattraktion!«
Cicero rang sich ein gequältes Lächeln ab und nickte den Damen respektvoll zu.
»Ihr seid der Veranstalter dieser Spiele?«, sagte er freundlich zu Batiatus.
»Nein«, erwiderte Batiatus. »Aber ich bin ein lebenslanger Freund des in beklagenswerter Weise dahingeschiedenen Pelorus, zu dessen Ehren diese Spiele stattfinden. Aber wenn ich der Veranstalter wäre â¦Â« Er schwieg, als er sah, dass Verres direkt neben ihm und Cicero stand.
»Sprecht nur, Batiatus«, sagte Verres lachend. »Mein Programm gefällt Euch nicht, da bin ich mir sicher.«
»Ich würde nicht im Traum daran denken, mich mit jemandem zu streiten, der so viel Respekt genieÃt wie Gaius Verres«, sagte er rasch.
»Ich habe nie behauptet, dass ich mich in solchen Fragen besonders gut auskenne«, erwiderte Verres. »Ich versuche nur, das Beste daraus zu machen. Und nun â wo ist der Wein?« Er verlieà die beiden auf der Suche nach den besseren Krügen, die im Schatten an der rückwärtigen Seite des Balkons standen.
»Ich spüre Eure Missbilligung«, flüsterte Cicero in vertraulichem Ton. »Und ich teile sie!«
Batiatus grinste breit. Er hatte, so schien es, endlich einen Seelenverwandten gefunden.
»Bei allen Göttern, bisher brachte uns dieser Tag nichts als die schlimmsten Trivialitäten«, erwiderte er. »Dankt dem Himmel dafür, dass Ihr die Kaninchenjagd nicht mitansehen musstet.«
Cicero schüttelte ungläubig den Kopf.
»Wenn ich der Veranstalter wäre«, bekannte Batiatus, »worunter ich einen wirklichen Organisator der Spiele ver stehe und nicht nur jemand, der Gladiatoren liefert, gäbe es viel beeindruckendere Kämpfe, um uns das Blut zu erwärmen.«
Ciceros freundliches Lächeln wurde zu einer starren Maske.
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