Asche und Schwert
unserem Diktator gemacht haben, damit er die Ordnung Roms wiederherstellte.«
»Und er hat sein Amt niedergelegt, nachdem seine Aufgabe erfüllt war.«
»Fortuna war uns wohlgesonnen. Aber was wird aus der Republik, wenn ein Diktator nicht mehr zurücktritt?«
Sie hatten den Fuà der Treppe erreicht.
»Dann würde wieder ein König regieren.«
Beide wandten sich in verschiedene Richtungen.
»Ihr geht fort?«, fragte Verres. »Meine Sänfte steht bereit.«
»Zunächst muss ich mich um die Gladiatoren kümmern und die Papiere für den toten Bebryx unterschreiben. Für den lanista ist die Veranstaltung noch nicht vorbei.«
»Natürlich nicht. Verzeiht. Dann bis heute Abend.«
Lucretia starrte lustlos in Richtung der gedämpften Farben Neapels, während ihre Sänfte mit einem leichten Schwanken durch die StraÃen getragen wurde. Doch es gab keine Ablenkung, die ihre Ohren vor dem unermüdlichen Plappern Ilithyias bewahrt hätten.
»Ich beneide deinen Mann!«, sagte Ilithyia. »Er darf all diese siegreichen Gladiatoren sehen!«
»Du wirst sie schon früh genug wieder zu Gesicht bekommen, Ilithyia«, erwiderte Lucretia. »Heute Abend findet der Leichenschmaus statt, bei dem wir uns bemühen, alle Trauer um Pelorus hinter uns zu lassen.«
»Noch eine Zusammenkunft!«, seufzte Ilithyia dramatisch. »Zu Ehren eines Mannes, der für mein Leben absolut keine Bedeutung hat.«
»Auch für mich war er nichts weiter als ein Name«, stimmte Lucretia ihr zu. »Ein Fremder, den ich nie getroffen habe. Ein kleiner Teil der Geschichte meines Mannes, der uns bisher nicht viel Glück gebracht hat. Hätte mein Schwiegervater ihm doch nie die Freiheit gegeben!«
»Er hätte es nicht tun müssen.«
»In irgendeinem längst vergessenen Akt der Güte hat Pe lorus ihm das Leben gerettet. Er fühlte sich ihm verpflichtet.«
»Ein Herr hat keine Verpflichtung gegenüber seinen Sklaven«, sagte Ilithyia. »Ebenso wenig wie eine Herrin. Sklaven sind der Lohn für unsere Ãberlegenheit. Sie sind das Gut, das wir durch unsere Mühen erringen. Wir können mit ihnen tun, was wir wollen!« Verschwörerisch hob sie die Augenbrauen. »Einfach alles!«
»Nicht alles«, sagte Lucretia. »Sklaven kommen nicht voll ausgeformt auf die Welt. Man fängt sie irgendwo, oder sie werden im Haushalt geboren. Sie wachsen bei uns auf, oder wir bilden sie aus. Sie brauchen Kleider und Nahrung. Ihre Krankheiten müssen versorgt werden. Wenn man so viel in menschliches Eigentum investiert, wäre es verrückt, dieses Eigentum zu missbrauchen.«
»Ich kann einen Sklaven ebenso wenig missbrauchen, wie ich einen Tisch missbrauchen kann. Ich habe sogar gehört, dass der Verlust der Zunge den Wert eines Sklaven nicht verringert.«
»Es stimmt, dass man von einem echten Sklaven nicht erwartet, dass er spricht«, stimmte Lucretia zu. »In den meisten Fällen ist die Zunge tatsächlich ein überflüssiges Organ. Es sei denn, der Sklave soll anderen Sklaven Befehle mitteilen oder uns als nomenclator dienen, der uns an die Namen entfernter Bekannter und an diejenigen erinnert, die wir im Laufe des Tages treffen werden. Auch ein Vorkoster wäre ohne Zunge nichts wert. So wenig wie ein Sklave, der unseren Vergnügungen dient.«
Die beiden kicherten über den letzten Gedanken.
»Nicht alle Menschen teilen die Einsicht und die Ehre eines römischen Bürgers«, sagte Ilithyia. »Wenn ein Fremder Römer werden möchte, so dauert es mehrere Generationen, bis er die Etikette und die dazu notwendige Kultur erwirbt. Ich selbst bin der Gipfel einer solchen Entwicklung, ich stehe für viele Generationen mit zahlreichen Nachkommen.«
»Wie könnten wir das jemals vergessen«, bemerkte Lucretia und lieà ihren Kopf auf das Kissen sinken.
»Aber ich fürchte, ich gehöre nicht zu den Römerinnen, die es jemals in Erwägung ziehen, einem Sklaven die Freiheit zu schenken. Es sei denn, ich kann ihn in gar keiner Weise mehr gebrauchen, und es ist unmöglich, ihn zu verkaufen.«
»Du meinst, wenn er blind, gebrechlich oder senil ist?«
»Gewiss. Warum sollte ich Geld auf ihn verschwenden? Sollte ich etwa einen weiteren Sklaven kaufen, der für den sorgen würde, der bereits mein Vermögen angreift?«
»Würde er nicht zur Last
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