Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aschebraut (German Edition)

Aschebraut (German Edition)

Titel: Aschebraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
Vom Netzwerk:
mindestens zwei Meter lang. Errol. Seine großen Füße baumelten über den Rand der Trage, und die Schultern, die zu breit für eine derart schmale Pritsche waren, seine breite Stirn und seine spitze Nase drückten sich unter dem Plastik deutlich sichtbar ab. Brenna dachte daran, wie lebendig und vergnügt er noch am Vorabend am Telefon geklungen hatte (Tschüsschen) , und dann sah sie abermals das dunkle, dicke Plastik, das auf seinem Körper lag. Errols Körper. Der erschreckend reglos war.
    Errol Ludlow war ab heute endgültig Vergangenheit.
    Brenna spürte einen kalten Luftzug im Genick wie am 23. Juni 1991, als sie sich bei ihm um einen Job beworben hatte. Wieder saß sie diesem seltsam aussehenden Hünen gegenüber, während der sie grinsend anschaute und den Blick aus seinen trüben rabenschwarzen Augen über ihr Gesicht und ihren Körper wandern ließ …
    »Was für Drogen nehmen Sie?«, will er von ihr wissen. Nicht: Haben Sie jemals irgendwelche Drogen ausprobiert? Oder wenigstens: Sind Sie auf irgendwelchen Drogen? Nein, er ist sich völlig sicher, dass sie irgendwelche Sachen nimmt, und möchte nur noch wissen, was.
    Er faltet seine schinkengroßen Pranken vor sich auf der Schreibtischplatte und verzieht den Mund zu einem langsamen und trockenen Lächeln, das den Eindruck macht, als zöge sich ein Riss durch einen Block Granit.
    Die Klimaanlage bläst ihr einen kalten Luftzug ins Genick. Warum in aller Welt kühlt dieser Kerl den Raum derart herunter? Aber trotzdem schwitzen ihre Hände, und sie beißt die Zähne aufeinander. Weil der Mann ein Riese ist. Im Vergleich zu ihm kommen ihr der Schreibtisch und das ganze Zimmer winzig vor. Er bräuchte nur tief einzuatmen, um die ganze Luft aus diesem Raum zu ziehen. Aber so darf sie nicht denken. Sie darf diesen Mann nicht hassen. Weil sie ihn ganz einfach braucht.
    Helfen Sie mir, Clea zu finden, Mr Ludlow, fleht sie stumm. Zeigen Sie mir, wie man Menschen findet …
    »Miss Spector?«
    »Ich … ich nehme keine Drogen.«
    Er schüttelt den Kopf. »Sie haben das Profil von einer Frau, die Drogen nimmt.«
    »Wie bitte?«
    »Ihre Mut-ter, eine al-lein-ste-hen-de Künst-le-rin, hat Sie allein großgezogen.« Er hat eine übertriebene Betonung, wenn er spricht. Spuckt die Silben einzeln aus. Was furchtbar lästig und wahrscheinlich seine Absicht ist.
    »Na und? Es gibt jede Menge Menschen, die von … alleinstehenden Künstlern großgezogen worden sind.«
    »Das ist noch nicht alles.« Er beugt sich zu ihr vor – das dunkelgrüne Sportsakko fängt an zu glänzen, als es sich um seine dicken Arme spannt – und schleudert ihr die nächsten Worte ins Gesicht, wobei jede Silbe einzeln aus dem großen Mund zu fliegen scheint. »Mut-ter al-lein-steh-ende Künst-le-rin, Schwes-ter durch-ge-brannt und mit ei-nem- derart schlech-ten Ruf, dass Sie selbst in dem Be-mü-hen, nicht den-sel-ben Ruf zu krie-gen, fast zu einer Ein-sied-le-rin geworden sind, nicht wahr?«
    Brenna schluckt.
    »Nur ein paar enge Freundinnen und Freunde an der Highschool, kaum jemals ein Date, meistens allein unterwegs. Ihre Lehrer haben mir erzählt, Sie hätten immer irgendwie gewirkt, als wären Sie in einer anderen Welt …«
    »Sie haben mit meinen Highschool-Lehrern gesprochen?«
    »Gerade einmal einundzwanzig, aber trotzdem schon bei drei verschiedenen Psychiatern. Sie waren an einem angesehenen College, meinetwegen. Aber wie wir beide wissen, sind die Colleges so voll mit Drogen wie Diego Maradonna Samstagnacht in Amsterdam.«
    »Wer?«
    »Und als wäre all das nicht bereits genug, schmeißen Sie Ihr Studium an der Columbia nach zwei Jahren hin.« Er holt tief Luft und sieht sie fragend an. »Und was sagt einem so ein Profil?«
    Ihr Gesicht fängt an zu glühen, und zornbebend ballt sie die Fäuste, aber gleichzeitig klärt sie den Kerl mit ruhiger Stimme auf: »Mir sagt es, dass Sie das größte Arschloch sind, das mir in meinem Leben je begegnet ist.«
    Feine Fältchen bilden sich um seine ausdruckslosen dunklen Augen, wieder huscht ein Lächeln über das Granitgesicht, und dann bricht er in lautes Lachen aus. »Ich glaube, Brenna Spector, Sie gefallen mir.«
    »Ich weiß, es ist nicht leicht, wenn man einen Freund verliert«, holte Tim Waxmans Stimme Brenna wieder in den dunklen Flur zurück, in dem gerade der Plastiksack mit Errol in den Lift verfrachtet wird.
    Brenna blinzelte gegen die aufsteigenden Tränen an. »Tut mir leid.« Sie holte tief Luft. »Haben Sie etwas

Weitere Kostenlose Bücher