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Aschebraut (German Edition)

Aschebraut (German Edition)

Titel: Aschebraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
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Den Lula-Belle-Blick hatte sie diesen Gesichtsausdruck getauft.
    Er hatte diesen Blick auch zwei Abende zuvor gehabt, als Lula Belle denselben Satz gesagt hatte wie gestern Abend Maya. Einen Satz, der jetzt ihr selbst über die Lippen kam. Worte, die von Lula Belle, von Maya und von ihrer Mutter ausgesprochen worden waren. Sie konnte nichts dagegen tun. »Sie hat die Gabe der Zerstörung im Blut.«
    Morasco machte die Augen zu und wieder auf und stellte tonlos fest: »Du kennst den Satz.«
    »Maya hat ihn gestern Abend zu mir gesagt.«
    »Maya hat den Satz gehört?«
    »Von meiner Mutter.«
    »Mann …«
    »Das hat sie auch zu dir gesagt, nicht wahr? Am 9. November.«
    »Am 9. November?«
    »Als wir zum Essen bei ihr waren. Vor …« Sie blickte aus dem Fenster. »Bevor wir im O’Donnell’s waren.«
    »Ja. Sie hat diesen Satz an dem Abend gesagt.«
    Brenna atmete tief durch und langsam wieder aus. »Warum hast du mir das nicht erzählt? Als wir vorgestern den Film gesehen haben, warum hast du das da nicht erwähnt?«
    »Ich wollte dir nicht weh tun.«
    »Womit?«
    »Du hast nicht die Fähigkeit, Dinge zu verdrängen. Wenn ich dir etwas erzähle, kannst du das nie mehr vergessen, selbst wenn du es willst. Und was deine Mutter an dem Abend zu mir gesagt hat …« Er brach ab und räusperte sich kurz. »Ich wollte nicht, dass du dich immer wieder dran erinnern musst.«
    Er lenkte seinen Wagen auf die Straße, presste seine Lippen so fest aufeinander, als wollte er nie wieder etwas sagen, und schaute reglos geradeaus.
    Und dabei hält er mir vor, dass ich nicht über Gefühle reden kann. »Weißt du, ich bin nicht aus Zucker«, fing sie schließlich noch mal an.
    »Das ist offensichtlich.«
    »Was ich meine, ist, ich wäre damit klargekommen, wenn du mir erzählt hättest, dass meine Mutter diesen Satz zu dir gesagt hat.«
    Immer noch starrte er reglos geradeaus. »Deine Mom hat mir erzählt, dein Dad wäre verrückt gewesen.«
    Brenna verdrehte die Augen. »Das muss er ja wohl auch gewesen sein, oder? Denn sonst wäre er bestimmt nicht einfach eines Tages abgehauen.«
    »Ich weiß nicht, ob sie das damit gemeint hat.«
    »Sie ist wütend auf ihn. Und zwar seit zweiunddreißig Jahren. Wer kann da schon sagen, wie sie etwas meint.«
    Er atmete vernehmlich aus. »Sie hat es auch Maya gegenüber gesagt. Was einfach … schrecklich war.«
    Brenna zuckte mit den Schultern. »Sie hat meinen Vater nie gekannt. Verdammt, schließlich kann ich mich selbst kaum noch an ihn erinnern.« Plötzlich sah sie ihren Vater vor sich, wie er weinend hinter dem Steuer seines Wagens saß. Es war das Bruchstück eines Traums. Oder vielleicht doch eine Erinnerung?
    »Ich rede nicht von deinem Dad.«
    »Maya hat auch meine Schwester nie gekannt. Und glaub mir, als ich in ihrem Alter war, habe ich in der Schule Sachen über sie gehört, die erheblich schlimmer waren, als dass sie die ›Gabe der Zerstörung‹ hat.«
    Morasco sah sie an. »Deine Mom hat Maya gegenüber deine Schwester mit dem Satz gemeint?«
    Brenna runzelte die Stirn. »Dir gegenüber vielleicht nicht?«
    Er lenkte seinen Blick wieder nach vorn.
    »War es nicht das, wovor du mich hast schützen wollen?«, fragte Brenna, doch im selben Augenblick kam es ihr vor, als würden die Fakten vor ihr entblättert wie die Blüte einer im Zeitraffer fotografierten Blume. Es gab einen Grund für die Distanz, die seit ein paar Wochen zwischen ihnen herrschte, und dafür, dass er sie derart traurig ansah, wenn er dachte, dass sie es nicht mitbekam.
    »Dir gegenüber hat sie mich mit diesem Satz gemeint.«
    »Ja.«
    »Sie hat dir erzählt, ich wäre verrückt, und das hätte ich von meinem Dad geerbt. Ich hätte die Gabe der Zerstörung. Ich. Nicht Clea, sondern ich.«
    Er flüsterte kaum hörbar: »Ja.«
    Brenna schloss die Augen, und sofort war wieder der 9. November, sie spürte die vier Bier, die sie getrunken hatte, und Morascos Brust an ihrem Rücken, während sie sich auf dem Parkplatz an ihn lehnte. Spürte abermals die kalte Nachtluft in ihrem Gesicht, seinen Mund an ihrer Schläfe und das Rauschen ihres Bluts. Sprach noch einmal über Maya, das mutierende Haimädchen, das noch mit dreizehn zahnte, hörte, dass ihre Stimme infolge des Alkohols verwaschen klang. Hörte, wie Nick lachte, spürte, dass sie eine halbe Drehung machte, um ihn anzusehen, die Hitze seines Körpers, seinen kratzigen Pullover … und dachte, sie wüsste ganz genau, wo er gerade in Gedanken war …
    Sie

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