Aschebraut (German Edition)
Bestätigung …
»Daddy hat sein Gewehr genommen, sich den Lauf an die Schläfe gehalten, abgedrückt, und dann ist sein Schädel explodiert …«
Brenna kniff die Augen zu. Jetzt nicht.
Morasco stürzte los und hielt ihr die Tür des Postamts auf.
»Wenn du weiter so den Gentleman rauskehrst, werde ich nicht mehr mit dir schlafen.«
Er ließ den Türgriff los, als hätte er sich an dem Metall verbrannt.
»So ist’s besser.«
City Island löste bei ihr immer zahlreiche Erinnerungen aus – vor allem, da in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren kaum etwas in dem verschlafenen kleinen Ort am Meer verändert worden war. Es gab immer noch dieselben Restaurants mit den unechten Fischernetzen an den Wänden, dieselben malerischen kleinen Häuser in denselben engen Straßen, über die man zu den winzigen privaten Stränden kam, und auch die Bücherei und das Museum für Meereskunde. Und die meisten Menschen, die hier lebten, hatte es bereits gegeben, als Brenna hier aufgewachsen und Cleas Verschwinden Stadtgespräch gewesen war.
Der Anblick ihrer alten Schule – die noch heute bis zur achten Klasse ging – hatte Brenna an die erste Schulversammlung nach Cleas Verschwinden denken lassen, doch zum Glück hatte Morascos Scherz über den Hummerladen auf der anderen Straßenseite sie umgehend in die Gegenwart zurückgeholt.
Es war gut, dass er darauf bestanden hatte, mitzukommen. Denn trotz all der blöden Witze darüber, dass er als Cop die Detektivin retten müsste, brauchte sie ihn jetzt tatsächlich. Denn durch seine Nähe wurde sie vor der Erinnerung und vor ihrer eigenen Vergangenheit bewahrt.
Natürlich weckte auch die Post Erinnerungen, doch jetzt konzentrierte sie sich erst mal auf die Gegenwart. Sie umklammerte den Schlüssel, den ihr Hildy überlassen hatte, und Morasco lief entschlossen auf die großen Postfächer an einer Wand des Raumes zu. Er war auf die Idee gekommen, dass der Schlüssel zu dem Postfach hier in City Island passen könnte, nachdem Diandra ausführlich zu Protokoll gegeben hatte, wie es zu dem Mord an Shane gekommen war.
Gary hatte nie erfahren, dass Shane eine Kopie des Tagebuchs von Clea angefertigt hatte. Aber als er Diandra von den Videos mit Lula Belle berichtet hatte, war sie außer sich gewesen, denn sie hatte gleich gewusst, dass sie das Werk von ihrem Exfreund gewesen waren. Und sie hatte sich danach gesehnt, es ihm heimzuzahlen, dass er den großartigsten Mann, den sie jemals getroffen hatte, derart hatte verletzen müssen, nur weil Diandra ein einziges Mal mit ihm im Bett gewesen war.
Als Gary den Anruf von RJ bekommen und Diandra daraufhin gebeten hatte, ihn daran zu hindern, mit den Dingen, die er wusste, an die Öffentlichkeit zu gehen, hatte sie ihre Chance gesehen – und bereitwillig genutzt. Sie hatte sich bei Shane gemeldet und ihn dazu überredet, sich in Lula Belles privates Mail-Account zu hacken, RJ unter ihrem Namen an einen geheimen Ort zu locken und ihn dort zu töten, weil sich nur auf diese Art die »großartige Kunst«, die er mit der geheimnisvollen Frau – ihrem Ersatz – erschaffen hatte, dauerhaft bewahren ließ. Er hatte auch Lula Belle aus dem Verkehr ziehen sollen, damit sie Brenna nichts erzählte, doch obwohl sie, wie die beiden Frauen, im Spätherbst extra rauf nach Kanada gefahren waren, war die Schauspielerin wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Und Shane hatte am Ende einen Rückzieher gemacht und Diandra nicht einmal gesagt, wie Lula Belle in Wahrheit hieß.
Daraufhin hatte der Zorn sie überwältigt. Er hatte es nicht verdient zu sterben, hatte sie der Polizei erklärt. Obwohl Hildy Tannenbaum das sicher anders sah.
Auf jeden Fall hatte Morasco einen Tag zuvor beim Abendessen festgestellt: »Wie hätte Lula Belle RJ am günstigsten erreichen können, falls sie wusste, dass ihr E-Mail-Konto nicht mehr sicher war?«
»Über sein Postfach«, hatte Brenna folgerichtig überlegt.
Und deshalb waren sie jetzt hier.
»He«, sagte Morasco, als er vor dem Postfach mit der Nummer 35 stand.
Mit zitternden, schweißnassen Händen trat sie neben ihn, steckte den Schlüssel in das Schloss und öffnete die Tür.
Dahinter lag ein Päckchen, das am 20. Oktober ohne Absender in Montreal aufgegeben worden war. Brennas Herz fing an zu rasen.
Bist du meine Schwester, Lula Belle?
Sie öffnete das Päckchen – und hielt einen Stapel kopierter handbeschriebener Blätter in der Hand. Die Schrift erkannte sie sofort. Cleas Handschrift. »O
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