Aschebraut (German Edition)
sie hob abwehrend die Hand. »Einen meiner Bekannten?«
»Er hat gestern gegen 17 Uhr von seinem Handy aus bei Ihnen angerufen.«
Sofort war Brenna in ihrer Wohnung, hielt ihr Handy an ihr Ohr und spürte, wie sich Jims Blick in ihren Rücken bohrte …
»Ludlow«, seufzte sie. »Was zum Teufel hat er jetzt schon wieder angestellt?«
Waxman antwortete nicht sofort, und zum ersten Mal nahm sie die Hintergrundgeräusche wahr – das Summen von Stimmen, das Knarzen eines Funkgeräts, eine in der Ferne heulende Sirene …
»Könnten Sie bitte ins MoonGlow -Hotel kommen, Ms Spector?« Der Detective nannte die Adresse und fügte hinzu: »Es gibt da nämlich ein paar Fragen, die ich Ihnen stellen muss.«
14
Als Brenna das Hotel erreichte, sah sie einen Leichenwagen vor dem Eingang stehen. O Gott, Errol, dachte sie. Was hast du getan? Eilig lief sie durch die Tür, schob sich an einer Gruppe uniformierter Beamter vorbei und quetschte sich zu einem fünfköpfigen Team der Spurensicherung in einen altersschwachen Lift. Errol war kein Mensch, den man so einfach übersah, aber bisher hatte sie noch keinen fast zwei Meter großen Mann in Handschellen entdeckt. Deshalb wandte sie sich an die junge Frau, die direkt neben ihr im Fahrstuhl stand – eine kräftige Person mit buttergelbem Haar und freundlichem Gesicht –, und sagte in möglichst offiziellem Ton: »Ich bin Errol Ludlows wegen hier.«
Das Mädchen runzelte die Stirn. »Ja. Wir auch.«
Die Tür ging wieder auf, und sie betraten einen dunklen Flur, an dessen Ende eine Tür mit Absperrband versehen war. Zwei Männer schoben eine Trage an dem Band vorbei, neben dem ein junger Kerl in einem blauen Billiganzug stand und mit dem Pathologen sprach.
»… angesichts des Alters und des allgemeinen Gesundheitszustands eher ungewöhnlich«, hörte Brenna, während sie den Gang hinunterlief.
Sie öffnete den Mund, doch der blaue Billiganzug stellte bereits fest: »Sie müssen Ms Spector sein.«
Sie blinzelte verwirrt.
»Tut mir leid. Ich kenne Sie aus dem Fernsehen.« Er sah sie mit einem treuherzigen Lächeln an. »Detective Tim Waxman. Wir haben vorhin telefoniert.«
»Oh, richtig.«
Detective Tim Waxman wirkte jung genug, um sich noch jeden Tag mit Clearasil zu waschen. Mayas Klassenkameraden sahen auch nicht jünger aus, aber er stand hier in seinem besten Anzug mit zu kurzen Armen über einem Hemd mit ausgefransten Ärmeln in der trübseligen Vorhölle eines Motels mit schmuddeligen, schon seit einer Weile nicht mehr frisch bezogenen Betten, um das Chaos zu beseitigen, das offenbar von Errol Ludlow angerichtet worden war.
Brenna hatte das Bedürfnis, ihm die Augen zuzuhalten, damit er von all dieser Verderbtheit nichts mehr sah.
»Sie kannten also Mr Ludlow«, sagte er.
»Ja, ich habe vor Jahren für ihn gearbeitet … Moment.«
»Ja?«
»Haben Sie gerade gefragt, ob ich ihn ›kannte‹?«
Er räusperte sich leicht. »Ja, Ma’am.«
»Nicht ob ich ihn kenne , sondern, ob ich ihn kannte ?«
Er blickte auf den Boden. »Ja.«
»Spielt das eine Rolle?«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Hat … der Pathologe eben hat gesagt … Wessen Alter und wessen allgemeinen Gesundheitszustand hat der Mann gemeint?«
»Bitte beantworten Sie mir ein paar simple Fragen, Ma’am.«
»Ist Errol tot?«
»Hat Mr Ludlow während Ihres gestrigen Telefongesprächs irgendetwas Seltsames gesagt?«
»Beantworten Sie meine Frage.«
»Hat er sich über Atemnot beklagt?«
»O mein Gott. Wie ist er gestorben?«
»Hat er vielleicht gesagt, dass er sich irgendwie komisch fühlt?«
Brenna starrte ihn mit großen Augen an.
»Ms Spector?«
»Nein«, erklärte sie in ruhigem Ton. »Er … nein, er hat nicht gesagt, dass er sich komisch fühlt.«
»Hatte er irgendwelche ungesunden Angewohnheiten?«
Er benutzte wieder die Vergangenheit.
»Er hat nicht geraucht und nur selten Alkohol getrunken.« Brenna sah ihn an. »Wie ist er gestorben?«
»Das wissen wir noch nicht. Aber es … ich kann Ihnen versichern, dass er nicht gelitten hat.«
Die Tür des Raums – 419 – wurde geöffnet, und eine Gruppe Polizisten ließ den Rollwagen an sich vorbei.
»O mein Gott«, entfuhr es Brenna, und Tim bedachte sie mit einem mitfühlenden Blick.
»Es tut mir leid, Ms Spector.«
Brenna starrte reglos geradeaus. »Sie können nichts dafür.«
»War er ein guter Freund von Ihnen?«
»Nein.«
Und dann erblickte sie den Leichensack, der auf der Trage lag. Er war
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