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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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mit
dumpfer Stimme. »Wir hören auf zu sein. Und das Letzte, was wir spüren, ist Einsamkeit.«
    »Und die Menschen? Was geschieht mit ihnen? Ich meine … nach unserem Kuss?«
    Lady Mar zuckte mit den Schultern, eine seltsam menschliche Geste.
    »Wer weiß? Man sagt, sie haben Seelen.«
    »Und wir nicht?«
    Es war nur eine winzige Veränderung in der Atmosphäre. Das Vibrieren von unterdrücktem Zorn. Lady Mar verschränkte die Arme und starrte sie an, als wäre ihre Geduld am Ende.
    »Vielleicht hast du eine Antwort darauf, Tjamad! Du hast schließlich nach dem menschlichen Sein gestrebt. Die Todbringerinnen sollen den Menschen ähneln, doch sie dürfen sich niemals wünschen, welche zu sein. Sie dürfen niemals über Leben und Tod entscheiden. Ihr seid auf der Welt, um das Leben der Sterblichen zu würdigen und es zu vollenden. Nicht, um euch zu verlieben und euch dann betrügen zu lassen.«
    Summer konnte nichts dagegen tun, dass ihr nun die Tränen in die Augen stiegen. Das Seltsame war, dass ihre beiden Gestalten sie in diesem Moment beinahe zerrissen. Da war die Zorya, die nichts so sehr wollte, wie zu Lady Mar und den anderen Zorya zu gehören. Und die sich nun wieder so schuldig fühlte, dass ihr Herz zu brennen schien. Und die andere Gestalt, das Mädchen, das sich nur zu gut an den Kuss erinnerte und nichts so sehr wollte, wie aus diesem Raum zu fliehen. »Ist das … ein weiteres Tribunal?«, brachte sie schließlich hervor. »Ihr habt mir doch verziehen!«
    »Und nur deshalb existierst du noch«, kam es barsch zurück. »Ich schätze es nicht, wenn meine Zorya sich wie Menschenfrauen
verlieben. Ich habe in deine Erinnerungen gesehen. Du hast vor Liebe gebrannt.«
    Die Todesfrau schien größer geworden zu sein. So groß, dass sie das Land und das Meer überragte. Summers Finger schmerzten, so fest hatte sie sie ineinander verflochten. Noch nie hatte sie sich so klein und schutzlos gefühlt. Und so durchschaut. Aber es kann nicht sein. Sie kann es doch nicht wissen. Und gleichzeitig warnte sie die Stimme der Zorya: Du lügst Lady Mar an! Die Herrin über alles, was dich ausmacht! Sie suchte verzweifelt nach einer Antwort, einer Ablenkung, aber eine unsichtbare Hand schien ihr die Kehle zuzudrücken.
    »Du musst ihn finden«, sagte Lady Mar eindringlich. »Glaub mir, ich wünschte, irgendeine andere von uns könnte deine Aufgabe übernehmen. Aber er hat dich gerufen und deinen Namen ausgesprochen, deshalb kannst nur du Indigos Tod sein. Und du bist auch die Einzige, die ihn erkennen kann.«
    »In meinen Erinnerungen ist sein Gesicht ein weißer Fleck«, wisperte sie. Zumindest war es keine Lüge.
    Lady Mar lachte trocken auf. »Natürlich. Du hast sein Gesicht absichtlich ausgelöscht, damit keine von uns ihn finden kann, wenn sie in deine Träume blickt. Was im wahrsten Sinne des Wortes vergebliche Liebesmüh war, denn selbst wenn ich wüsste, wer er ist, könnte ich ihn nicht töten. Ich könnte höchstens einen meiner Lords auf die Idee bringen, ihn foltern und so lange leiden zu lassen, bis er seine Unsterblichkeit verflucht und nach seiner Zorya schreit.« Ihre Stimme wurde leise und gefährlich. »Und glaube mir, ich würde es tun. Aber ihm den Tod geben kannst dennoch nur du. Du wirst ihn erkennen.«
    Summer hatte gelernt, dass eine Zorya nicht fror, aber trotzdem wurde ihr Körper nun taub vor Kälte. Jetzt konnte sie nicht mehr
verhindern, Loved vor sich zu sehen. Sie wird dir in die Augen schauen und ihn finden …
    Aber die Lady hatte sich abgewandt und starrte auf das Land. »Du bist immer noch sehr menschlich, Tjamad. Aber das wird vergehen. Eine Weile können meine Lords die Truppen von Lord Teremes sicher noch in Schach halten. Ich kann dir also noch etwas Zeit geben. Aber nicht viel.« Sie setzte die Eisenmaske auf und ging zur Tür. Dort wandte sie sich noch einmal um. »Wir sind verwundbar geworden, Tjamad«, sagte sie leise. »Dein Feind schläft nicht. Denke daran, es ist bloß eine Frage der Zeit, bis Beljén oder einer anderen Zorya dein Schicksal widerfährt. Und nur du kannst uns unsere Unverwundbarkeit zurückgeben.«

    Sie wusste nicht, wie lange sie noch vor der Wand gestanden hatte, die Maske in der Hand, ratlos und völlig niedergedrückt von dieser alten Schuld. Das Schwert kann es nicht gewesen sein , hallten Lady Mars Worte in ihr nach. Vielleicht war er es wirklich nicht, dachte sie.
    Sie schrak zusammen, als jemand neben sie trat. Es war Anzej.
    »Geht es dir gut?«,

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