Ascheherz
fragte er freundlich. »Du bist blass.«
Hastig setzte sie ihre Maske wieder auf und trat einen Schritt zur Seite, wich seiner Hand aus, die sie am Arm berühren wollte.
»Lass mich!«
Anzejs Rechte schloss sich fester um seine Malachitmaske. »Du bist mir also immer noch böse?«
»Allerdings! Du bist ein noch größerer Lügner als ich.«
»Du hast mir die meisten Lügen angeboten«, erwiderte er ungerührt. »Das Bergwerk zum Beispiel. Du hast mir jedes Stichwort
geliefert, ich musste sozusagen nur noch nicken. Und ich habe nicht gelogen, als ich behauptete, du würdest hier in Sicherheit sein.«
Widerwillig musste sie zugeben, dass er recht hatte. Und ich habe es mit Finn und den anderen genauso gemacht. Alle Geschichten, die ich über mich erzählt habe, sind aus den Bildern entstanden, die sie mir anboten.
»Die Narben an deinem Rücken … Sie stammen von ihr, von Lady Mar, nicht wahr?«
Ein Schatten fiel auf sein Gesicht. »Sie rührt Menschen nicht an, aber über uns hat sie Macht, ja. Ich war der einzige Sucher, der dich kannte. Nachdem du erwacht warst, brachte ich dich zu ihr. Du erinnerst dich nicht daran, denn deine Existenz als Zorya begann mit deiner ersten Begegnung mit Lady Mar. Als du verschwandst, schickte sie mich ins Nordland, um dich zu finden. Aber du warst nicht mehr dort. Lady Mar dachte, ich würde lügen und du hättest sie ein zweites Mal betrogen. Sie war so wütend, dass sie mich bestrafte und in einer Höhle zurückließ. Und nach deinem erneuten Erwachen vor eineinhalb Jahren schickte sie andere Sucher. Erst als sie dich nicht fanden, weckte sie mich.«
»Deshalb warst du völlig mit Staub bedeckt und nackt.«
Er nickte und zuckte mit den Schultern. »Sie ließ mir keine Zeit. Wir dachten beide, ich würde mich nicht unter den Menschen bewegen müssen. Ich wäre neben dir erschienen und hätte dich sofort mitgenommen. Aber dann fand ich dich in diesem Hochhaus, verletzt - ohne deinen Mantel. Und ohne die geringste Ahnung, wer du bist.« Er seufzte und Summer war sicher, dass ihn die Erinnerung daran wirklich mitnahm. »Es war unmöglich, dich ohne Mantel einfach mitzunehmen. Also musste ich dich auf dem Weg der Menschen zur Zitadelle bringen. Es war gefährlich für dich.
Und offenbar war Indigo dir schon auf den Fersen. Aber …«, er lächelte, »… du hast es mir auch nicht immer einfach gemacht.«
Irgendetwas in ihr wollte das Lächeln erwidern. Die Zeit unter Menschen verband sie mehr, als sie zugeben mochte.
Er hat genauso gehandelt, wie ich es getan hätte . Bis auf eines.
»Warum hast du das Theater niedergebrannt? Aus Wut, weil du mich nicht gefunden hast?«
Sein Lächeln verschwand. »Und wenn es so wäre, Tjamad? Es ging um alles für mich. Glaubst du, ich stünde noch hier, wenn ich Lady Mar auch diesmal enttäuscht hätte? Ich war so sicher, dass ich dich aufgespürt hatte - dein Glanz war überall! Ich habe gesucht und sogar alle Schränke und jede Truhe aufgerissen, weil ich fürchtete, du liegst dort irgendwo, eingesperrt und vielleicht sogar gefesselt. Dann kam ich zu den Käfigen. Du weißt, wie Tiere auf uns reagieren. Sie machten mir zu viel Lärm, also trieb ich sie hinaus und suchte auch noch den Dachboden ab. Ganz oben war eine Kammer. Eine Lampe brannte auf dem Tisch. Aber auch dort warst du nicht.«
Jetzt hatte sie einen Kloß in der Kehle, und so ein flaues Gefühl im Magen, dass sie kaum zu fragen wagte.
»Das war Morts Kammer. War er dort?«
Anzej runzelte die Stirn. »Nein, die Kammer war leer, nur das Licht brannte noch. Und als ich dich auch da oben nicht fand, da war ich so wütend, dass ich die Lampe vom Tisch schlug. Und das alte Holz fing sofort Feuer.«
Summer atmete auf. Mort war bestimmt hinuntergegangen, um nach dem Rechten zu sehen. Und wenn das oberste Stockwerk zuerst gebrannt hatte, war er vielleicht heil rausgekommen.
»Warum die Maske? Ich meine die schwarze Glücksmaske, die du aus dem Theater mitgenommen hast. Wozu?«
Anzej verzog den linken Mundwinkel zu dem Räuberlächeln, das sie an ihm gemocht hatte. Er zuckte mit den Schultern.
»Sie war für dich. Lady Mar hat mir keine Zeit gelassen, deine Elfenbeinmaske mitzunehmen. Keine Zorya geht gern ohne ihre Maske unter Menschen. Ich stellte mir vor, dass du unglücklich bist, so ausgeliefert zu sein.«
So sorgen die Zorya also füreinander, dachte sie. Einen Moment war sie ratlos. Auf eine Art konnte sie Anzejs Handeln verstehen. Aber verzeihen konnte sie ihm
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