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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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nicht.
    »Du hast das Leben eines Menschen zerstört. Das Theater war alles, was Mort hatte!«
    Er sah sie völlig verständnislos an.
    Seltsamerweise traf es Summer wie ein Verrat. »Dann war es also wirklich nur ein Auftrag, Anzej. Gut. Du hast mir sehr gut vorgespielt, ein Mensch zu sein.«
    Anzej senkte rasch den Blick. Dann schüttelte er verärgert den Kopf. »Was hast du nur immer mit diesen Menschen? Hast du immer noch nicht begriffen, worum es hier wirklich geht? Weißt du nicht, was du getan hast?«
    Jetzt war sie tatsächlich froh, eine Maske zu tragen. Er hat Loved gesehen. Beljén wird nichts verraten, aber was, wenn er mir zu nahe kommt und spürt, dass ich ein Geheimnis habe? Was, wenn er nachforscht?
    Sie hob das Kinn und sah ihm direkt in die Augen. »Daran brauchst du mich nicht zu erinnern«, fuhr sie ihn an. »Gut, du hast deine Aufgabe erledigt. Lady Mar ist zufrieden mit dir. Und ich bin glücklich, wieder zu Hause zu sein. Dafür danke ich dir.«
    Immer noch suchte sie nach einer Regung in seiner Miene, aber Anzej setzte nur die grüne Maske auf und wies auf die Tür.
    »Ich bringe dich zurück, Tjamad.«

    »Danke, ich finde allein zum Zirkel. Und ab jetzt komme ich bestens ohne deine Hilfe aus. Also geh mir aus dem Weg.«
    Er schluckte schwer. Sein Blick fiel auf ihre Hände, die sie in den Seidenstoff ihres Rockes gekrallt hatte. Er stutzte und betrachtete den Staub auf dem teuren Stoff. »Wo warst du wirklich?«, fragte er lauernd.
    Im Bruchteil einer Sekunde überschlug sie sämtliche Möglichkeiten. Er wird es ohnehin herausfinden. Also versuche es mit der Wahrheit. Zumindest mit der halben .
    »Im Kerker«, antwortete sie. »Ich habe den Soldaten gesucht, der mich vor den Tandraj gerettet hat. Lord Joras hat ihn ja verhaftet. Aber ich kam heute leider zu spät.« Jetzt war es sogar gut, dass ihre Stimme leicht zitterte. »Lord Joras hat ihn hinrichten lassen. Ihn und die anderen Soldaten, die mich ohne Maske gesehen haben.«
    »Was wolltest du von ihm?«
    »Hast du alles vergessen?«, entfuhr es Summer. »Hat dir das Leben unter Menschen so wenig bedeutet? Ich wollte mich einfach bei ihm bedanken!«
    Anzej schnaubte. »Wie menschlich«, sagte er verächtlich und ließ sie stehen.

Teil IV
    loved

die goldene barke
    N ach dem Gespräch mit Lady Mar beobachteten die Zorya sie mit noch wachsameren Augen und nahmen Summer noch inniger in ihrer Mitte auf. Erwartung lag in der Luft. Und die Hoffnung, dass auch ihre letzten Erinnerungen an Indigo wiederkehren würden. In diesen Tagen wagte Summer nicht zu den Kammern zu gehen und schlief keine einzige Stunde, aus Sorge, irgendeine der anderen könnte ihre Träume sehen und erraten, worüber sie sich den Kopf zerbrach. So wachte sie über Beljéns Schlaf und versuchte währenddessen mit aller Kraft, Indigos Gesicht heraufzubeschwören. Aber es war und blieb ein verschwommener Fleck. Allerdings hatte der Mann dunkles Haar. Und er war so hochgewachsen und kräftig, dass er tatsächlich auffallende Ähnlichkeit mit Loved hatte. Sogar Handschuhe trug er - wenn das vermutlich auch nicht viel sagte, denn die anderen Männer jener Zeit waren ähnlich gekleidet. Sie ertappte sich dabei, wie sie Erklärungen suchte und Loved glauben wollte.
    Lady Mar kannte sie offenbar gut. Stunde für Stunde verwob sie sich mehr mit der Gemeinschaft. Schon nach zwei Tagen kannte sie jede Zorya, die sie traf, mit Namen und konnte die besondere Nähe jeder einzelnen auch mit geschlossenen Augen spüren - Gilam mit dem leuchtend blauen Mantel, die zierliche Wij mit den
Bienenflügeln und Halimar, deren Haar dieselbe Farbe hatte wie ihre Mottenflügel. Tag für Tag fand sie ein Stück von sich wieder. Dass die Macht, die sie als Zorya ausstrahlte, keine Rolle mehr für sie war, bemerkte sie an dem Tag, an dem sie sich zum ersten Mal wieder davonstahl und zum ersten Turm eilte.
    Diesmal begegneten ihr im untersten Stockwerk einige Diener. Und erst als sie im Fahrstuhl stand, wurde ihr bewusst, dass sie sie mit Lady Mars Augen betrachtet hatte. Als faszinierende menschliche Figuren auf dem Spielbrett des Lebens, doch so weit von ihr entfernt, dass ihr Schicksal sie nicht berührte.
    Aber da gab es die andere Seite. Als sie wenige Minuten später voller Ungeduld zur Wächterkammer hochstürmte, wusste sie nicht, wer sich insgeheim mehr über das Wiedersehen freute. Tellus oder sie. Nicht, dass der alte Wächter es ihr gezeigt hätte. »Ah, Lady Tjamad«, knurrte er nur und

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