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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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ich die Schlüssel zu den Verbindungstüren hingelegt habe.«
    Ohne sie anzusehen, legte er den Kartenstapel wieder in die Mitte des Tisches, gähnte wie ein Löwe und streckte sich ächzend.
    »In letzter Zeit wollen meine Knochen nicht mehr so recht. Ich brauche immer länger für meine Runde. Der Husten wird von Tag zu Tag schlimmer und die Pumpe will auch nicht mehr so richtig. Wenn es so weitergeht, dann brauche ich morgen eine
ganze Stunde für einen einzigen Rundgang, wenn nicht sogar zwei.«
    Ächzend ging er zum Regal und holte Fäustlinge und eine Fellmütze aus einer Schachtel hervor. Summer blickte auf den Kartenstapel. Das letzte gemeinsame Spiel. Die obersten Karten waren verrutscht, und als sie sie mit dem Zeigefinger anstieß, glitten sie ganz herunter. Auf dem schwarzen Herzass, das Summer an Lord Teremes’ Lindenblatt-Zeichen erinnerte, lagen die Schlüssel.
    So gern hätte sie dem alten Wächter für seine Güte gedankt. Aber sie wusste, dass sie ihm damit alles nehmen würde, was ihm geblieben war - den letzten Rest seiner Ehre als Wächter. Oder vielleicht auch nur die Illusion davon. Also nahm sie die Schlüssel schweigend an sich. Obwohl sie seinen Blick im Rücken spürte, drehte sie sich nicht mehr um. Sie zögerte nur kurz, als er sich räusperte. »Du … bist ein guter Mensch, Lady Tjamad«, brummte er.
    Mensch .
    Jetzt stiegen ihr doch die Tränen in die Augen. Rasch setzte sie ihre Maske auf.
    »Der gute Mensch bist du, Tellus«, erwiderte sie aus vollem Herzen. »Es gab nie einen besseren.«

blutherz
    S ie brauchte kein Wort zu sagen. Als sie mit hoch erhobenem Kopf in den Inneren Zirkel schritt, umringt von ihren Faltern, erwachte jede Zorya im Raum, setzte sich auf und glitt von ihrem Steinblock. Flügelmäntel bauschten sich und knisterten. Und als hätten auch die Zorya, die nicht im Raum waren, den stummen Ruf gehört, kamen sie durch die Türen oder erschienen nach einem Todeskuss in diesem Raum. Summer blieb stehen, nahm die Maske ab und wartete. Mit vor Aufregung roten Wangen tauchte Wij auf. Halimar war da, und auch Anzej, der ernst wirkte und ein wenig bleich. Aber er lächelte ihr zu und heute konnte sie das Lächeln erwidern. Und natürlich erschien schon bald auch Beljén. Sie rannte auf sie zu und umarmte sie. Diese Berührung brach den Bann. Im nächsten Moment umringten sie alle. Hände legten sich auf ihre Schultern, Fingerspitzen strichen über ihre Wangen und ihre Stirn. Mantelsaum streifte mit einem Kribbeln ihren Rist, ihre Knöchel und Arme. Sie brauchte nichts weiter zu tun, als die Augen zu schließen und zuzulassen, dass die Grenzen zwischen ihr und den anderen verblassten. Sie dachte nicht an Loved in diesem Moment. Sie sah nur einen Mann und sah ihn nicht. Indigo.
    »Indigo«, flüsterten die Zorya. »Tors Indigo.« Ein Chor, der sie immer dichter umschloss. Sie spürte, dass Lady Mar vor ihr stand,
bevor sie die Augen öffnete. Die Zorya wichen nur ein wenig im Kreis zurück, um der Lady Platz zu lassen.
    »Ich bin bereit«, sagte Summer mit fester Stimme.
    Heute lächelte die Todesfrau. »Willkommen zu Hause, Tjamad. Ich sehe, du hast wieder zu dir gefunden. Und wirst du ihn auch wirklich erkennen?«
    »Das werde ich, sobald ich in Lord Teremes’ Lager bin und ihn sehe. Und ich weiß, wie ich zu ihm komme.« Die Zorya waren so still geworden, dass ihre eigene Stimme ihr wie Donnerhall vorkam. »Ich brauche eine Tätowierung. Und die Uniform eines Soldaten aus Lord Teremes’ Armee.«
    Jetzt setzte ein Murmeln ein, das sofort wieder verstummte, als Lady Mar zu ihr trat und ihr die Hände auf die Schultern legte. »Ich werde die Lords beauftragen, für alles zu sorgen.« Bevor sie ging, küsste sie Summer auf die Stirn. Und heute war es kein Kuss wie von scharfem Eisen, sondern ein warmer, leichter Hauch, der Summer endgültig willkommen hieß.

    Als hätte in der Zitadelle die Zeit bisher stillgestanden, gingen die Vorbereitungen nun umso schneller. So schnell, dass Summer kaum Zeit blieb, ihre eigenen Pläne zu machen. Nur wenige Stunden, nachdem die Sonne aufgegangen war, wurde sie aus dem Kreis der Zorya, in den sie eben erst wieder ganz heimgekehrt war, herausgerissen und zu Lord Joras in den zweiten Turm gerufen. Begleitet von ihren Faltern und Beljén eilte sie mit der Elfenbeinmaske über dem Gesicht über ölverschmierte Treppen tief in die Unterwelt des Turms. Dort führte ein Offizier sie in eine Kammer voller Soldatenkleidung und ließ sie

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