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Aschenputtel: Thriller (German Edition)

Aschenputtel: Thriller (German Edition)

Titel: Aschenputtel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Ohlsson
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mitteilte, dass er auf dem Weg sei. Alex war erleichtert. Er hätte kein gutes Gefühl dabei gehabt, die Ermittlung lediglich mit einer Schreibtischtäterin wie Fredrika an seiner Seite einleiten zu müssen.
    Es war kurz nach halb vier, als sie Gleis siebzehn erreichten, wo der Zug angekommen und inzwischen zum Schauplatz einer ausgiebigen Tatortuntersuchung geworden war. Der Bahn war mitgeteilt worden, es sei unklar, wann der Zug wieder in Gebrauch genommen werden könne, was zu einer ganzen Reihe von Verspätungen an diesem Tag führte. Auf dem Bahnsteig standen nur wenige Personen, die keine Polizeiuniform trugen. Alex vermutete, dass es sich bei der rothaarigen Frau, die angeschlagen, aber dennoch gefasst aussah und die auf einer blauen Plastikkiste mit Streusand saß, um die Mutter des verschwundenen Kindes handelte. Er spürte intuitiv, dass die Frau nicht zu den Eltern gehörte, die ihr Kind verloren. Er schluckte. Wenn das Kind nicht verloren worden war, dann war es entführt worden. Und wenn es entführt worden war, dann stand ihnen ein schwieriger Fall bevor.
    Alex mahnte sich zur Ruhe. Er wusste noch zu wenig von den Vorkommnissen.
    Ein junger Mann in Polizeiuniform kam auf ihn und Fredrika zu. Sein Handschlag war fest, aber ein wenig feucht, der Blick leicht glasig und unstet. Er stellte sich knapp als Jens vor. Wahrscheinlich kam er frisch von der Polizeihochschule, und dies hier war einer seiner ersten Fälle. Wenn diese jungen Polizisten ihre erste Anstellung antraten, brachten sie erschreckend wenig praktische Erfahrung mit. Man sah ihnen an, wie sehr sie im ersten halben Jahr von Verwirrung und manchmal sogar Panik geschlagen waren. Alex fragte sich, ob der junge Mann, dem er soeben die Hand geschüttelt hatte, wohl an der Grenze zur Panik war. Bestimmt fragte er sich auch, was um Himmels willen Alex überhaupt hierhergeführt hatte. Es geschah nur selten, eigentlich fast nie, dass die Kommissare selbst hinausfuhren, um Zeugen zu befragen. Zumindest nicht in dieser frühen Phase einer Ermittlung.
    Alex wollte gerade erklären, warum er hier war, als Jens schnell und abgehackt zu reden begann. » Der Notruf kam erst dreißig Minuten, nachdem der Zug angekommen war«, berichtete er mit schriller Stimme. » Und da waren schon fast alle Passagiere vom Bahnsteig verschwunden. Also, alle außer denen da.«
    Er winkte etwas zu heftig in Richtung einer kleinen Ansammlung von Menschen ein Stück weit hinter der Frau, die Alex für die Mutter des Kindes hielt. Alex schielte auf seine Armbanduhr. Zwanzig vor vier. Das Kind war bald anderthalb Stunden verschwunden.
    » Der Zug ist bereits komplett durchsucht. Sie ist nirgends. Das Mädchen, meine ich. Sechs Jahre alt. Und es scheint sie auch niemand gesehen zu haben. Zumindest niemand von denen, die wir schon befragt haben. Das Gepäck ist noch da. Das Mädchen hat nichts mitgenommen. Nicht einmal die Schuhe. Die lagen immer noch vor dem Sitz auf dem Fußboden.«
    Die ersten Regentropfen prasselten auf das Dach über ihnen. Das Grollen kam jetzt näher. Einen so miesen Sommer hatte er wohl noch nie erlebt, dachte Alex.
    » Ist das dort die Mutter des Kindes?«, fragte Fredrika und nickte diskret zu der rothaarigen Frau hinüber.
    » Ja, genau«, erwiderte der junge Polizist. » Sie heißt Sara Sebastiansson. Sie geht nicht eher nach Hause, bis wir das Mädchen gefunden haben, sagt sie.«
    Alex seufzte innerlich. Natürlich war die rothaarige Frau die Mutter des Kindes. Er selbst musste danach gar nicht erst fragen, er wusste es einfach, er spürte es. Diese Intuition fehlte Fredrika vollkommen. Sie fragte nach allem und stellte noch mehr infrage. Alex fühlte, wie er wütend wurde. So konnte man Polizeiarbeit nicht betreiben. Hoffentlich merkte sie bald selbst, wie wenig sie für den Beruf geeignet war, von dem sie aller Wahrscheinlichkeit nach glaubte, dass er gut für sie wäre.
    » Warum hat man erst nach dreißig Minuten die Polizei gerufen?«, fragte Fredrika weiter.
    Alex merkte auf. Hatte sie tatsächlich eine relevante Frage gestellt?
    Jens wand sich sichtlich.
    » Also, die Geschichte ist ein wenig seltsam«, begann er. Alex merkte, wie der Junge versuchte, Fredrika nicht anzustarren. » Sie hatten einen längeren außerplanmäßigen Halt in Flemingsberg, und da ist die Mutter ausgestiegen, um zu telefonieren. Das Kind hat geschlafen, deshalb hat sie es im Zug gelassen.«
    Alex nickte gedankenverloren. Kinder verschwinden nicht, sie werden verloren.

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