Aschenputtel: Thriller (German Edition)
hatte Saras Unfähigkeit, es ihrem Mann recht zu machen, wirklich nur beklagen können. Gewiss hatte Sara niemals auch nur versucht zu verbergen, wer sie war. Und Teodora war auch bewusst gewesen, dass ein schwerwiegender Grund dafür, dass ihr Sohn das Mädchen überhaupt geheiratet hatte, eine peinlich verspätete Revolte gegen seine armen Eltern gewesen sein musste.
Nichtsdestoweniger war Teodora absolut klar gewesen, wo ihre Loyalität lag, als es wirklich zu kriseln begonnen und die Schwiegertochter Hilfe bei der Polizei gesucht hatte. Auf einmal hatte ihr das Luxusleben, das Gabriel ihr bot, wohl nicht mehr gepasst.
Es war dumm von Sara gewesen zu glauben, dass eine Mutter wie Teodora unter irgendwelchen Umständen ihren Sohn oder ihr Enkelkind im Stich lassen würde. Es gehe ja vor allem um Lilian, hatte sie sich eingeredet, zum Telefon gegriffen und zwei alte Weggefährten ihres Mannes angerufen, die den Sebastianssons noch immer große Summen Geldes und diverse Dienste schuldig waren.
Es war einfach gewesen, Gabriels Ruf reinzuwaschen, indem sie ihm die Alibis besorgte, die er benötigte und verdiente. Viel schwieriger war es, ihn im Leben weiter zu geleiten.
Nach der zweiten turbulenten Zeit und der zweiten Anzeige bei der Polizei hatte Teodora ein ernstes Gespräch mit ihrem Sohn geführt. Dass er immer noch versuchte, Sara zu formen, bereitete ihr keine Probleme. Aber die Einmischung der Polizei musste ein Ende haben. Das war peinlich für die Familie, und auf lange Sicht würde es schwer werden, wieder und wieder seinen Namen aus den Akten streichen zu lassen, vor allem da seine Erziehungsmaßnahmen bei Sara deutliche Spuren hinterließen und sie offenkundig nicht begriff, dass man über gewisse Dinge besser schwieg und sie innerhalb der Familie löste.
Nachdem Gabriel zu oft an einem Abend bei seiner Ehefrau angerufen und daraufhin einen Platzverweis erhalten hatte, hatte Teodora schließlich genug. Entweder musste er dafür sorgen, dass er Sara zurückbekam, was sie anfangs für keine gute Idee hielt. Oder aber er stellte seine Versuche, einen guten Menschen aus ihr zu machen, ein für alle Mal ein und beantragte die Scheidung. Die Scheidung und das alleinige Sorgerecht.
Teodora wusste nicht genau, wie ihr Sohn es geschafft hatte, doch eines Tages waren Sara und er wieder zusammengezogen. Es hatte nicht sonderlich lange gehalten. Sara hatte immer mehr Schwierigkeiten gemacht, und schon bald war eine neue Trennung fällig gewesen.
Und nun war Sara das unglaubliche Kunststück gelungen, Teodoras einziges Enkelkind loszuwerden. Sie zitterte am ganzen Körper. Offensichtlich kannte Sara keine Grenzen, wenn es galt, das Leben der Familie Sebastiansson zu zerstören. Teodora, die doch selbst Mutter war, hatte genau gesehen, wie Sara mit dem Kind umging. Ohne feste Hand und ohne jedwede mütterliche Fürsorge. Wenn das Kind zu seiner Mutter zurückgebracht würde, müsste Teodora endgültig einschreiten und mit aller ihr zur Verfügung stehenden Kraft dafür kämpfen, dass ihr Sohn das Kind allein aufziehen durfte. Dann stand Sara einer Feindin gegenüber, die sie weder durch Anzeigen bei der Polizei noch mit Drohungen würde besiegen können. Sara würde lernen müssen, was geschah, wenn man so lebte– wenn man seinen eigenen Untergang heraufbeschwor und überdies versuchte, sein Kind mit ins Verderben zu ziehen.
Angesichts dieser Überzeugung hatte es ihr weder am Vortag noch während des erneuten Gesprächs mit Fredrika Bergman größere Probleme bereitet, zugunsten ihres Sohnes zu lügen. Es war allerdings zutiefst beklagenswert, dass er nicht dazu in der Lage gewesen war, sie darüber zu informieren, dass er Urlaub genommen hatte. Das hätte die Voraussetzungen für weitere Lügen entschieden erleichtert.
Sie seufzte.
» Sie werden wiederkommen«, sagte er.
Teodora zuckte zusammen.
» Mein Lieber, hast du mich erschreckt!«
Gabriel trat über die Schwelle zur Bibliothek seines Vaters, wo Teodora saß, seit Fredrika Bergman das Haus verlassen hatte. Sie stand auf und trat langsam auf ihn zu.
» Eines muss ich wissen, Gabriel«, sagte sie leise und mit Nachdruck. » Ich muss einfach ganz sicher sein. Hast du irgendetwas mit dem Verschwinden von Lilian zu tun?«
Gabriel Sebastiansson sah an seiner Mutter vorbei aus dem Fenster.
» Ich glaube, es braut sich ein Gewitter zusammen«, sagte er mit heiserer Stimme.
Früher einmal, als Nora viel jünger gewesen war, war die Dunkelheit ihr feind
Weitere Kostenlose Bücher