Aschenputtelfluch
dir.« Das kam von Pink.
»War es jetzt Selbstmord oder nicht?«
»Shut up!«
Die Sportlehrerin steckte den Kopf herein. Um den Hals hingen Stoppuhr und eine knallrote Trillerpfeife. »Geht es noch langsamer, Mädels?«
»Ich hasse Sport«, jammerte Emilia. »Mein Vater meint immer, gegen mich ist ein Roboter der reinste Schlangen mensch. Mann, ich werde irgendwann mal was studieren, wo keine Mrs Feldwebel einen Flicflac verlangt oder mehr fache Saltos vom Sprungbrett.«
»Ist sie so schlimm?«, fragte Sonja ängstlich.
»Schlimm?«, entgegnete Emilia. »Sie hat einmal an der Olympiade teilgenommen. 1.000-Meter-Freistil, gespon sert von der Bundeswehr. Was glaubst du wohl, woher die ihren Spitznamen hat?«
Sie begann, ihre Haare zu bürsten, zählte jeden einzel nen Bürstenstrich. »Kira hat das auch immer gemacht. Sie hatte so tolle Haare.«
»Halt die Klappe«, sagte Meg.
»Elf, zwölf, dreizehn . . . Was meint ihr, warum hat sie sie abgeschnitten?«
»Wenn du nicht endlich damit aufhörst . . .« Pink griff Emilia in die Haare und zog daran. Sie schien echt wütend zu sein. »Dann schneide ich dir deine ab.«
Die Stille, die plötzlich herrschte, wog mehrere Tonnen. Niemand zweifelte daran, dass Pink ihre Worte wahr ma chen würde. Es war Sonja, die schließlich das Schweigen brach. »Was ich euch schon vorhin fragen wollte, ist Niko laj wirklich ein echter Prinz?«
Mann, wenn sie aufgeregt war, dann hatte sie eine Quiet schestimme, dagegen war Heidi Klum im Stimmbruch.
Emilia fuhr mit dem Bürsten fort. »Ich habe gehört, wie Frau Schüler zur Sturm gesagt hat, . . .zwanzig, einund zwanzig, zweiund. . . früher hätten wir ihn vermutlich mit Prinz ansprechen müssen. Und dann hat Frau Schüler ge fragt, ob die Familie Geld hat . . .«
»Und?«
»Nein . . . fünfundzwanzig . . . sie haben alles in der Rus sischen Revolution verloren, was glaubst du denn?«
Sonja sah ziemlich beeindruckt aus und Emilia zwinker te mir zu, weshalb ich nicht wusste, ob sie die Wahrheit sagte oder nur ihre Fantasie mit ihr durchging.
Nikolaj ein russischer Prinz? Nein, das war ja völliger Blödsinn!
Aber ich hatte nicht länger Zeit, mich damit zu beschäfti gen, denn nun betrat Frau Krassnitzer die Umkleidekabi ne. Sie klatschte so energisch in die Hände, wie Sportleh rerinnen es immer tun – vermutlich auf der ganzen Welt.
»Keine weiteren Verzögerungen, meine Damen«, schrie sie, während sie ihre Armbanduhr nicht aus den Augen ließ. »Ihr habt schon zehn Minuten verloren durchs Um ziehen. Die Zeit könnt ihr nur wiedergutmachen, indem ihr schneller eure Runden dreht.«
»Das kann sie sich abschminken«, murmelte Meg.
Meg trug die Trainingshosen und das weiße T - Shirt, wie sie laut Hausregeln für den Sportunterricht verpflichtend waren. Doch Turnschuhe mit Totenköpfen waren mit Si cherheit nicht gestattet. Und ihre riesigen silbernen Kreo len schepperten leise, wenn sie den Kopf auch nur einen Zentimeter bewegte.
»Schmuck nehmen wir ab.« Frau Krassnitzers Stimme überschlug sich fast. »Das gilt auch für dich, Margit.«
»Du kannst mich mal, Mrs Feldwebel«, zischte Meg so leise, dass nur ich es hörte.
»Das nächste Mal geht das aber schneller! Tempo, Tem po, Tempo!«
Erst als alle verschwunden waren, wagte ich, den Pulli auszuziehen. Mit meinem Hello-Kitty-BH konnte ich mich nicht der Öffentlichkeit präsentieren.
Auf dem Flur war niemand mehr zu sehen, doch von ir gendwoher hörte ich die durchdringende Kommando stimme der Krassnitzer und ihr »Tempo, Tempo, Tempo«. Das schrille Pfeifen ihrer Trillerpfeife hallte ebenso nach wie das Stampfen der Schülerinnen, die offensichtlich durch die Turnhalle gejagt wurden.
Also, wo war der Durchgang zur Halle?
Keine Ahnung. Hier schienen nur Türen zu sein.
In diesem Moment öffnete sich eine Tür rechts vorne und Nikolaj trat heraus.
»Kann ich dir helfen?«
»Wie komme ich zur Halle?«
»Du musst ganz bis zum Ende des Flurs gehen und dann links die große Tür.«
»Danke.«
Erst jetzt bemerkte ich, dass er keine Sportkleidung trug.
»Fällt Sport bei euch aus?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin befreit.«
»Warum?«
Nikolaj zuckte mit den Schultern. »Erbkrankheit.«
»Was wollte die Polizei von euch?«
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Er sah starr gera deaus, hatte offenbar nicht die Absicht zu antworten, aber ich konnte mich nicht zurückhalten.
»Ihr wisst, warum Kira vom Dach gesprungen ist!«
»Bist du immer
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