Aschenputtelfluch
ter hatte? Ich hatte ihr nichts davon erzählt.
»Dein Vater ist Polizist?«, fragte Nikolaj. »Hast du damit ein Problem?«
»Warum sollte ich?«
Das Braun seiner Augen war so klar und glänzend wie der Earl Grey in seiner Tasse. Kein Schatten weit und breit.
»Natürlich hat sie damit ein Problem!«, meinte Meg. »Wer will schon einen Cop zum Vater!«
»Ich!«, gab ich zurück. »Mein Daddy ist . . .«
»Daddy?« Sie lachte. »Gott, wie süß!«
»Margit, komm runter!«, sagte Nikolaj.
»Du sollst mich nicht so nennen!«
»Das ist der Name, den deine Eltern dir nun einmal gege ben haben.«
Seine Stimme klang sanft und dennoch entschieden.
»Erwähn sie nicht, okay, niemals«, warnte ihn Meg mit zusammengebissenen Zähnen.
»Dann hör du auf, dich über Jules Vater lustig zu machen!«
Meg knallte ihr Buch zu und erhob sich. »Weißt du, was, Nick, manchmal gehst du mir total auf den Geist. Du küm merst dich doch im Grunde auch nur um dich selbst! Auch du bist nicht Jesus!«
Ich musste irgendetwas sagen, das die Spannung hier löste, sonst würde Meg mich ein Leben lang hassen.
»Nicht einmal Jesus war Jesus«, murmelte ich.
Nikolaj lachte auf.
Blicke trafen uns. Ich sah ihnen an, was sie dachten. He, die Neue, Miss Aschenputtel, deren Vater ein Cop ist, wie schafft sie es nur, McDreamy zum Lachen zu bringen bei einer BH - Größe von 60 A? Hat sie es auf unseren Prinzen abgesehen? Ich kannte das bereits von der Sache mit Jas-per. Ein Wort und man baggert ihn an, zwei Worte und man war verliebt, drei – Verlobung und ein vollständiger Satz – Hochzeit!
Und wie viele Sätze bedeuten Tod?
Ich schüttelte unwillkürlich den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. Gleich darauf schrillte die Glocke, ich atme te erleichtert auf, der Unterricht würde gleich beginnen.
»Was steht heute auf dem Stundenplan?«, fragte ich.
»Sport«, blaffte Meg und war verschwunden.
Wenige Minuten später folgte ich ihr. Ungeschickt balancierte ich das Tablett Richtung Tresen. Plötzlich fühlte ich einen Ruck. Im nächsten Moment strauchelte ich, das Tablett fiel mir aus den Händen, ich stieß mit dem Knie gegen die Metallkante eines Tisches – es tat verdammt weh – und ich wäre gefallen, wenn nicht . . . ja, wenn Nikolaj mich nicht festgehalten hätte. Ich lag in seinen Armen und alles, was ich dachte, war: Mein Gott, er riecht einfach göttlich!
Stopp, Jule! Der ist gemeingefährlich.
Dann ließ er mich los und begann, Geschirr und Besteck zusammenzusuchen.
Plötzlich stand das Mädchen mit den Zöpfen direkt vor mir. Wie ein Gespenst. Sie lächelte seltsam, als freue sie sich außerordentlich, mir das mitzuteilen, was sie nun flüsterte. »Du bist die Nächste, darauf wette ich.«
Im nächsten Moment war sie durch die offene Tür des Speisesaals verschwunden.
Verdutzt folgte ihr mein Blick und blieb an einer Gruppe hängen: Big Mama, Herr Sattler, zwei uniformierte Polizei beamte und – eine alte Frau, um deren Schulter Frau Sturm den Arm gelegt hatte. Sie alle standen im Flur vor dem Schwarzen Brett und unterhielten sich leise.
Sie waren wegen Kira hier. Auch wenn es Selbstmord war – die Polizei würde den Vorfall untersuchen. Sie wür den herausfinden, warum sie gesprungen war. Warum be ruhigte mich dieser Gedanke nicht? Ich musste an das Ge spräch in der Nacht denken. Das Wort Schuld – ich brach te es einfach nicht aus meinem Kopf.
Die alte Frau schluchzte laut, sie konnte sich kaum auf den Beinen halten. Mein Herz zog sich zusammen und ver suchte, sich unsichtbar zu machen.
»Wer ist das?«, fragte ich leise Nikolaj.
»Kiras Großmutter.«
»Was ist mit ihren Eltern?«
»Verkehrsunfall. Beide tot.«
»Oh Gott!«
Wir verließen gemeinsam den Saal. Bevor wir uns trenn ten, um unsere Schulsachen zu holen, blieb ich noch ein mal kurz stehen. »Dieses Mädchen mit den Zöpfen . . .«
»Die Nonne? Johanna?«
»Die ist seltsam.«
»Ach was, die hat nur schon gleich nach der Geburt alle drei Gelübde abgelegt.«
»Welche Gelübde?«
»Schweigen, Gehorsam und vor allem – NO SEX!«
Das Letzte sagte er so laut, dass alle, die vorbeikamen, mich anstarrten. Einschließlich Frau Sturm.
KAPITEL 7
D ie Tische waren im Viereck aufgestellt. Und wir waren nur zwölf Schüler in der zehnten Klasse. Es herrschte eine gespannte Atmosphäre. Erwartung, Nervosität und der Schock über Kiras Tod ließen niemanden so richtig fröh lich wirken. Die Schulglocke hatte schon lange zum Unter richtsbeginn
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