Aschenputtelfluch
dazu, genau wie . . .«
Sie brach ab und drehte sich abrupt um.
Meine Erleichterung kannte keine Grenzen. In Megs Stimme hatte tatsächlich Anerkennung gelegen.
Hey, ich hatte sie durchbrochen, die Schallmauer von Ravenhorst. Nikolaj hatte mich geküsst und Meg, die coo le Meg, die nichts und niemand zu berühren schien, sie bewunderte mich. Es fühlte sich einfach geil an!
Herzlich willkommen in Ravenhorst!
Kiras Tagebuch
Eintrag No. 9
Die Tage in Ravenhorst vergehen in rasendem Tempo. Das Leben hier ist eine fünfspurige Autobahn Lehrer, Noten, Freunde, Freizeit, Liebe! ehrlich, ich habe das Gefühl, dass ich auf allen Spuren die Schnellste bin.
Ja, ich komme sogar mit Meg, meiner Zimmergenossin, klar, obwohl sie wirklich launisch ist. Aber das kann ich verstehen. Meine Eltern haben mich geliebt. Ich war ihr Ein und Alles. Auch wenn sie tot sind das weiß ich genau. Aber Meg hat ihre Eltern seit einem Jahr nicht mehr gesehen. Sie sind irgendwo in der Welt unterwegs zu irgendwelchen Abenteuern.
Für eine Zimmergenossin ist Meg okay, aber meine beste Freundin hier ist Pink. Klar, sie ist manchmal ziemlich arrogant, aber so wird man vermutlich, wenn man steinreich ist. Ihre Mutter hat nach dem Tod ihres Vaters irgendeinen Millionär geheiratet. Und dem, sagt Emilia, die alles weiß, wächst Geld nur so aus den Fingern. Bei dem wird alles zu Gold, was er anfasst. Pink erbt mal so viel Kohle, die kann dafür bezahlen, dass jemand sie liebt.
Deshalb gilt Pink im Internat auch als eine der sogenannten Unantastbaren. Wie Nikolaj, der aus irgendeinem uralten russischen Adelsgeschlecht stammt, das mit dem Zaren verwandt war.
Okay, ich gehöre zum Fußvolk in Ravenhorst und könnte gar nicht hier sein, hätte ich nicht dieses Stipendium. Von meiner Waisenrente bleiben mir gerade noch fünfzehn Euro im Monat. Den Rest teilen sich Oma und das Internat.
Aber egal Pink akzeptiert mich und mit dem Rest der Klasse ver stehe ich mich auch gut. Wir sind nur fünfzehn in einer Klasse. Das ist wirklich super! Ich finde jedenfalls alle ziemlich okay, obwohl Pink das Gegenteil behauptet. Sie sagt immer: »Die meisten kannst du vergessen. Alles Autisten! Nur mit sich beschäftigt oder mit dem wunderbaren Lernstoff, mit dem sie uns hier zumüllen. Schau dir doch mal Florian an zum Beispiel. Das ist der totale Loser. Ein Gesicht wie ein Neunjähriger, Segelohren und spitze schwarze Zähne. Puuh, wie eine Fledermaus.«
Na ja, jedenfalls nennt Florian jetzt jeder hier Batbaby!
KAPITEL 8
Ü ber Ravenhorst lag schon seit dem Frühstück ein großes Schweigen. Sogar die grässlichen Raben oder Krähenvö gel hatten ihr Gekrächze eingestellt. Vielleicht kam es mir auch nur so vor. Denn draußen regnete es in Strömen, als wir uns in der Aula versammelten, um an der Trauerfeier für Kira teilzunehmen. Ein Regen, der den Himmel nach unten zu schwemmen schien.
Plötzlich wurde mir bewusst, dass es nur an meinem ers ten Tag hier in Ravenhorst strahlend schön geworden war. Es war, als ob Kiras Tod der Auslöser für dieses triste, kal te Wetter gewesen war.
Seit meiner Ankunft war gerade einmal eine Woche vergangen, doch mir kam es bereits viel länger vor. Die ganze Zeit über schwebte ich in einem seltsamen Zustand von Unwirklichkeit. Der Schulalltag hatte das Regiment übernommen. Alles schien in dasselbe Einheitsgrau gehüllt wie wir in unsere Schuluniformen und die einzelnen Tage verschwammen ineinander in ihrem einheitlichen Ablauf. Gleichzeitig legten die Lehrer ein Tempo vor, wie ich es von meiner alten Schule nicht kannte. Und so hatte ich keine Gelegenheit gefunden, noch einmal mit Nikolaj alleine zu sein. Immer war irgendjemand von den anderen dabei: Indi, Pink und auch Meg. Dieser Kuss war also entweder eine Halluzination, ein Experiment, ein Versehen gewesen – oder lediglich ein Zeichen von Freundschaft?
Ich seufzte innerlich und sah mich um. Die Aula war bis auf den letzten Platz besetzt und ich saß zwischen Meg und Pink. Letztere schien völlig unbeteiligt und kaute die ganze Zeit an ihren Fingernägeln herum. Megs blasse Hände um klammerten den Sitz des Stuhles, als wolle sie jeden Mo ment aufspringen und die Aula verlassen, während Direktor Sattler mit seiner Traueransprache endlich zu Ende kam.
»Man kann nicht in das Herz des anderen sehen, sein Un glück nicht immer erkennen, aber ihr müsst jetzt fest zu sammenhalten, damit so etwas nicht wieder vorkommt. Kira hat nun ihren Frieden, nach dem sie sich
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