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Aschenputtelfluch

Aschenputtelfluch

Titel: Aschenputtelfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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entdeckte.
    »Dort an der Wand?«
    Sonja blieb stehen und sah sich unschlüssig um.
    »Suchst du jemanden?«
    »Nein!«
    Was definitiv gelogen war. Ihr Kopf drehte sich nach al len Richtungen. Jedes Mal klimperten die langen rosafar benen Ohrringe.
    »Tolle Ohrringe«, bemerkte ich, um etwas Nettes zu sa gen.
    »Swarowski.«
    Ehrlich gesagt waren sie zu protzig für Sonjas schmales blasses Gesicht, aber das Mädchen hatte schließlich Strei cheleinheiten nötig. Aber offensichtlich nicht von mir, denn plötzlich hob sie die Hand und verabschiedete sich überraschend hastig mit den Worten: »Bis später, ich setz mich doch da vorne hin!«
    Sie rannte geradezu von mir weg, um sich den letzten freien Platz neben Pink und Trixie zu schnappen. Von Wei tem hörte ich, wie Bastian sie begrüßte: »Na, Prinzessin, immer zu Ihren Diensten. Soll ich Ihnen heute Ihr Tablett tragen?«
    Sonja lief knallrot an! Das war nicht das erste Mal, dass mir der Gedanke durch den Kopf schoss, dass dieses Mädchen unter einer Krankheit litt, die chronische Naivität hieß.
    Ich schüttelte den Kopf und setzte mich dorthin, wo noch ein Platz frei war, nämlich neben das Mädchen mit den langen Zöpfen, das irgendetwas auf ein Papier kritzel te, was nach Formeln aussah.
    »Hi!«
    Sie warf mir einen gleichgültigen Blick zu. Die gute Lau ne hatte die offenbar nicht erfunden.
    Schräg gegenüber war Meg in ein Buch vertieft, dessen Inhalt sie schneller aufsaugte als den Orangensaft.
    Was denn? Gingen alle schon wieder zur Tagesordnung über?
    Der ganze Saal schien versunken in eine grässliche Gleichgültigkeit, die durch das Einheitsgrau der Schuluni formen verstärkt wurde. Hatten sie schon vergessen, was gestern passiert war? Ich musterte ein Gesicht nach dem anderen.
    Welches von ihnen drückte Trauer aus? Welches Angst? Und vor allem: In welchem Gesicht stand etwas geschrie ben, das nach Schuld aussah?
    Am liebsten wäre ich aufgesprungen, hätte mich auf den Tisch gestellt und gerufen: He, wacht auf, ein Mädchen ist gestorben! Eine von euch! Warum hat sie das gemacht? Ihr wisst es! Du zum Beispiel, Meg! Mit wem hast du heute Nacht gesprochen?
    »Ist hier noch frei?«
    Nikolaj hatte wirklich die unglaubliche Fähigkeit, aus dem Nichts aufzutauchen.
    »Klar!«
    Er stellte sein Tablett ab, zog einen Stuhl vom Nachbar tisch heran und ließ sich darauffallen.
    Meg blickte auf.
    »Morgen, Margit.«
    »Ich heiße Meg!«
    Der schwarze Tee, den er sich aus der Riesenkanne ein goss, dampfte. »Und – wie hast du geschlafen, Jule?«
    »Geht so.«
    »Schlecht geträumt?«
    »Genau.«
    »Dann verzichte ich wohl lieber darauf, dich daran zu er innern: Was man in der ersten Nacht in einer neuen Umge bung träumt . . .«
    »Geht hoffentlich nicht in Erfüllung!«
    Er nahm einen Schluck, dann noch einen und schließlich stellte er fest: »Wegen Kira?«
    »Klar wegen Kira. Aber offenbar bin ich hier die Einzige. Es war übrigens toll, was du gestern gemacht hast, das mit der Jacke . . .«
    »Nein«, er schüttelte den Kopf und für einen kurzen, kaum wahrnehmbaren Moment verfinsterte sich sein Ge sicht. Der Bluterguss an der Stirn verfärbte sich. »Das war nichts. Gar nichts.«
    Mein Herz klopfte. Ich spürte es so deutlich, als könnte ich die Worte in der Luft lesen: Tod, Angst, Schuld!
    Er?
    Nikolaj?
    Ja, er wusste, warum Kira es getan hatte. Ich spürte die ses Kribbeln in mir, von dem Daddy immer sprach, wenn er jemandem, wie er sagte, Schuld ansah.
    Ein dunkler Schatten liegt ihnen in den Augen, verstehst du, Kleines. Als ob sie versuchen, etwas zu verbergen.
    Nenn mich nicht Kleines, Daddy.
    Nenn mich nicht Daddy, Kleines.
    Plötzlich fühlte ich unbeschreibliche Sehnsucht nach ihm. So hatte ich mir meinen ersten Tag hier nicht vorge stellt.
    »Was ist?«
    Immer noch starrte ich Nikolaj an, versuchte, den Schat ten der Schuld auf seiner Seele zu finden. Nein, da war doch nichts, nichts als eine üble Nacht, die hinter mir lag. Ich hatte mich getäuscht.
    »Ach, nichts.«
    »Warum siehst du mich dann an, als wolltest du mein Ge hirn zerlegen und schauen, was sich darin abspielt?«
    Na ja, so unrecht hatte er nicht, aber ich schüttelte nur den Kopf und konzentrierte mich auf mein Marmeladen brötchen.
    Meg murmelte, in ihr Buch vertieft. »Sie hält sich für su perschlau!«
    »Stimmt nicht!«
    »Und warum bist du dann hier? Ein Bulle kann sich so ei ne Schule normalerweise nicht leisten.«
    Ich erstarrte. Woher wusste sie, welchen Beruf mein Va

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