Aschenputtelfluch
Warnblinkanlage sein.«
Sie streifte ihren Fleecepulli über den Kopf und warf ihn mir zu.
Ich zog ihn über.
Draußen auf dem Flur war es mittlerweile still gewor den. Zeit für die Bettruhe.
»Und jetzt beginnt die Show. Auf eins, zwei, drei!« Im nächsten Moment war Meg mit ihren Schuhen unter der Bettdecke verschwunden. Nichts war mehr von ihr zu se hen außer wenigen roten Locken.
Ich stand im Zimmer und starrte sie irritiert an. Meg rührte sich nicht.
In diesem Moment hörte ich Frau Sturm auf ihrem Kon trollgang durch die Zimmer: Tür auf, Tür zu! Tür auf, Tür zu!
Stimmen aus dem Nachbarzimmer und im nächsten Moment machte ich dasselbe wie Meg. Ich rutschte unter die Bettdecke, biss mir auf die Zähne, als ich mich an meine Schuhe erinnerte, und zog im letzten Moment die Decke über den Kopf.
Die Tür öffnete sich.
Mein Atem unter der Decke war so laut – als halle er wie in einem Tunnel nach. Die Supernanny musste doch mer ken, dass etwas nicht stimmte. Doch leise schloss sich wieder die Tür. Ihre Schritte verhallten. Gemurmel im Nachbarzimmer, Gekicher von gegenüber und aus dem Ostflügel, wo die Jungs untergebracht waren, rülpste je mand laut in die Dunkelheit der Nacht. Das anschließende Gelächter war über den Klosterinnenhof zu hören.
Im nächsten Augenblick wurde die Decke weggerissen.
»Pennst du etwa schon?«
»Quatsch!«
»Steh auf, es geht los.«
Ich knipste das Licht an.
»Licht aus!«, zischte sie. »Du weißt doch, dass Licht die Sturm anzieht wie die Fliegen.«
Meg trat an ihr Bett und klopfte Decke und Kissen zu recht.
»Es muss aussehen, als würden wir schlafen.«
Ich tat es ihr nach.
»Gib mir deine Hand, ich kenne mich im Dunkeln aus.«
Meg griff nach meinem Arm und zog mich leise mit sich.
Der Flur lag in völliger Stille, doch die Dunkelheit wur de von den sogenannten Klolampen erhellt. So nannten die Schüler die orangefarbenen Lichter, die über den Tü ren zu den Waschräumen und Toiletten angebracht wa ren, damit wir nachts den Weg fanden.
Ab und zu hörte man jemanden in einem der Zimmer husten und am Ende des Flurs ertönte ein lautes Schnar chen.
»Was meinst du, wer das ist?«, flüsterte Meg. Sie hatte eine schwarze Wollmütze über die roten Locken gezogen und sah ein bisschen aus, als plane sie einen Banküberfall.
»Keine Ahnung.«
»Die Nonne, sie hat was mit den Polypen.«
Ein Kichern überkam mich, ich versuchte, es zu unter drücken.
»Kannst du nicht leiser gehen?«, zischte Meg.
Wir gelangten in den Speisesaal, wo sie über den Tresen der Essensausgabe kletterte.
»Aber . . .« Ich wollte protestieren.
»Was denn? Willst du immer die Regeln einhalten?«
Nein, auf keinen Fall! »Quatsch!«
»Na also!«
Wahnsinn, sie bewegte sich so leise, als würde sie – ähn lich wie Jesus über das Wasser – über dem Boden schwe ben. Warum nicht, dachte ich, schließlich war das hier ein mal ein Kloster gewesen. Wieder stieg dieses Kichern in mir hoch. Der verzweifelte Versuch, es zu unterdrücken, endete in einem Hustenanfall.
»Spinnst du?«, zischte Meg. »Die Sturm sieht nicht nur gut, sie hat auch das Gehör einer Fledermaus!«
»Tut mir leid!«
»Wenn sie uns entdecken, dann gibt es Ärger, Riesenär ger!«
Ich verstand ehrlich nicht, warum das Ganze so drama tisch sein sollte. Wir waren ja nur in der Küche, aber Meg murmelte etwas vor sich hin, das klang wie: »Novizen sind immer ein Risiko.«
Im nächsten Moment öffnete sie eine Tür und wir lande ten in einem engen Hinterhof, der völlig von Mauern ein geschlossen war. Rechts an der Wand standen Müllcontai ner, links die kahle Mauer, zahlreiche Zigarettenkippen und...Meg zog mich vorbei und mit einem Mal tauchte vor uns eine schmiedeeiserne, völlig verwitterte Tür auf, die im dichten Efeu nur schwer zu finden war. Leise knarr te es in den alten Scharnieren, als Meg das Tor aufstieß.
»Sei vorsichtig, hier ist es rutschig«, warnte sie leise.
Warum klang ihre Stimme plötzlich so anders? Irgend wie heiser und – wenn mich nicht alles täuschte – lag eine unerklärliche Anspannung darin. Trotz Megs warmem Pul li kroch Gänsehaut über meine Arme, die augenblicklich zu kribbeln begannen. Fast ein Gefühl, als ob Ameisen-schwärme dicht unter meiner Haut nach ihrem Weg such ten.
»Wo sind wir?«, fragte ich.
»Auf dem Friedhof, wo sonst.«
KAPITEL 9
E ine seltsame Nacht. Es war dunkel und dennoch erschien der Himmel mir weiß. Ich folgte Meg über eine Wiese.
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