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Aschenwelt

Aschenwelt

Titel: Aschenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timon Schlichen Majer
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ganze Zeit neben mir und hielt meine schlaffe Hand.
    Als sie mich schließlich in mein Bett gelegt hatten und außer meinen Eltern, der Schwester und Dr. Uschasnik niemand mehr in meinem Zimmer war, kam ich langsam wieder zu mir.
    Â»Hörst du mich?«, fragte Dr. Uschasnik.
    Ich nickte langsam.
    Â»Wie geht es dir?«
    Â»Wo ist Anne?«, stellte ich die einzige Frage, die mich interessierte.
    Â»Sie ist nicht da«, antwortete Uschasnik, und meine Mutter seufzte tief, was meine Angst um Anne ins Unermessliche anschwellen ließ.
    Â»Was ist mit ihr geschehen?«, rief ich etwas lauter. »Wo ist sie?!« Ich wurde immer panischer.
    Â»Du solltest dich erst noch ein wenig ausruhen«, sagte Uschasnik.
    Â»Ihr ist etwas zugestoßen! Habe ich recht? Heute?«
    Â»Nein, ihr ist heute nichts zugestoßen«, sagte Uschasnik.
    Â»Gestern?«
    Â»Auch gestern nicht. Johanna, beruhige dich.«
    Ich atmete aus und zwang mich, ruhig zu werden. »Also geht es ihr gut?«
    Â»Das kann ich leider nicht sagen.«
    Ich nickte stumm. Vielleicht ging es ihr ja tatsächlich gut und ihr war nichts passiert, und ich machte mir umsonst Sorgen. Vielleicht musste sie tatsächlich wieder ihrer Mutter etwas helfen. Doch über was hatten meine Eltern sich dann vorhin mit Dr. Uschasnik unterhalten? Ich war mir sicher, Annes Namen gehört zu haben. Ich konnte mich aber auch täuschen. Derzeit war ich alles andere als zurechnungsfähig.
    Uschasnik schaute mich eine Weile schweigend an. Und er machte den Anschein, als wollte er mir etwas sagen, aber nicht wusste, wie er das tun sollte.
    Er schwieg einfach weiter. Meine Eltern auch. Und mir war, als lauschten alle meinen Gedanken. So wie ich selbst.
    An diesem Tag brach etwas auf in mir. Als ob eine dicke Mauer einen Riss bekommen hätte, durch den ich nun das sehen konnte, was sie bis bisher vor mir verborgen hatte. Auf der anderen Seite war etwas. Unübersehbar. Es zwängte sich durch den Mauerriss und griff nach mir. Und ich ließ mich greifen. Auch wenn es mir die Eingeweide herausreißen wollte. Ich ließ es zu. Weil es mir an diesem Tag, genau in jenem Augenblick, als richtig erschien.
    Â»Ich will, dass es weg geht«, sagte ich.
    Â»Was meinst du?«, fragte Uschasnik.
    Â»Ich will, dass die Aschenwelt weg ist.«
    Uschasnik nickte verständnisvoll und meine Mutter atmete hörbar aus.
    Â»Bist du dir sicher?«
    Â»Ganz sicher.«
    Â»Ich kann dich dabei unterstützen. Aber das meiste musst du selbst machen.«
    Ich nickte. »Aber nur wir beide. Meine Eltern sollen bitte gehen.«
    Wortlos verließen sie mein Zimmer. Und ich war mit Uschasnik alleine.
    Â»Bist du bereit?«
    Â»Ja.«
    Â»Egal, was passieren mag, egal, was du siehst. Erzähle es mir. Gemeinsam werden wir es auflösen.«
    Ich nickte. Und bekam Angst.
    Â»Wir machen das wie gestern, die gleiche Meditationstechnik. Sollte dir irgendetwas zuviel werden, dann sage einfach stopp, dann hole ich dich wieder zurück in die Realität.«
    Â»Fangen wir an«, sagte ich. »Wenn wir noch länger warten, will ich es vielleicht doch nicht mehr.«
    Es war wie am Tag zuvor. Ich musste aus und einatmen und befand mich dann wieder in der Aschenwelt. Ich musste Uschasnik wieder alles beschreiben, was ich sah: den Linoleumboden, den Sackleinenhimmel, die umgekippten Stühle und Tische.
    Â»Kennst du irgendetwas von diesen Dingen?«, fragte er mich.
    Ich schüttelte den Kopf. Obwohl mich die Möbel tatsächlich an etwas erinnerten.
    Â»Ich bitte dich«, sagte Uschasnik, »den Boden einmal genau anzuschauen und auf dich wirken zu lassen.«
    Â»Ein ganz normaler Linoleumboden. Nichts besonderes.«
    Â»Schau ihn dir genau an.«
    Ich betrachtete ihn eingehend, wie Uschasnik es von mir verlangte, obwohl ich nicht wusste, wozu das gut sein sollte. Eine ganze Weile blieben wir still, bis es mir zu dumm wurde und ich ihm sagte, dass ich nun genug auf den Boden gestarrt hätte.
    Â»Dann schau dir nun bitte die Stühle und Tische ganz genau an.«
    Ich tat, wie von mir verlangt.
    Â»Kannst du sie mir beschreiben?«
    Â»Ja, kann ich.«
    Â»Dann tu das bitte.«
    Â»Also: Ganz normale Stühle. Lehne und Sitzfläche aus Holz, vier Beine aus Metall. Verrostet, verdreckt. Tischplatte auch aus Holz, verrostete Tischbeine. – Moment. Auf den Tischplatten sind überall Kritzeleien … So wie auf den

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