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Aschenwelt

Aschenwelt

Titel: Aschenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timon Schlichen Majer
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auf Jungs. Ich bin mit Anne zusammen. Kapierst du das?«
    Kevin schaute mich erschrocken an.
    Â»Oh, nein, nein!«, stammelte er. »Ich will nicht mit dir zusammen sein! Kam das so rüber?«
    Â»Du gaffst mich die ganze Zeit an, lauerst mir auf, läufst mir hinterher. Immer und überall! Das nervt!«
    Â»Entschuldige bitte«, sagte er. »Ich will dich nicht nerven, und dir auch keine Angst machen.«
    Â»Warum tust du es dann?«
    Â»Ich will einfach nur, dass es dir gut geht.« Er atmete einmal tief durch. »Weißt du. Ich möchte dich beschützen. Weil ich es an dem furchtbaren Tag nicht getan hab. Ich war da wie gelähmt und konnte nur zuschauen.«
    Â»Was meinst du?«
    Â»Den Tag, als es passiert ist. … Du weißt schon, als …«
    Â»Ich weiß gar nichts, Kevin. Und ich will nichts davon hören!« Meine Stimme wurde schrill.
    Kevin schwieg und starrte mich sekundenlang an. Dann sagte er: »Ok, gut. Ich hab geträumt, weißt du? Es war ein Engel bei mir, oder Jesus, oder Gott selbst.«
    Â»Hör mir auf mit dem Quatsch.«
    Â»Nein, das ist kein Quatsch. Hör mir nur ganz kurz zu. Dann lass ich dich wieder in Ruhe.«
    Â»Was hast du da hinter deinem Rücken?«
    Â»Gleich. Ich will dir erst von meinem Traum erzählen.«
    Ich stöhnte. Ich wollte weg hier, weit weg, zu Anne.
    Â»Ich hab also geträumt. Ich glaub, es war ein Engel, ja. Mir wurde ganz warm, und ich musste weinen, im Traum. Und der Engel sagte zu mir, dass ich auf dich aufpassen soll. – Das ist alles.«
    Â»Du bist echt durchgeknallt, weißt du das?«
    Kevin zuckte mit den Schultern. »Es war so echt. Und ich tue das. Ich hab es an dem Tag nicht getan. Und das wird mir mein ganzes Leben lang leid tun.«
    Â»Was hast du hinter deinem Rücken?«, wollte ich nochmals wissen.
    Kevin senkte verschämt den Kopf und zog seine Hand hervor. Irgendetwas brachte mich dazu, zusammenzuzucken.
    Â»Hier«, sagte er. »Hab ich für dich gepflückt.«
    Ich blinzelte. »Eine Margerite.«
    Kevin nickte.
    Ich stieß ein Lachen hervor.
    Â»Nicht gut?«, fragte er.
    Â»Das ist süß, Kevin, aber …«
    Â»Ich dachte, weil du duch Margarita mit Zweitnamen heißt …«
    Ich erstarrte. Woher wusste er das? Er spionierte mich wohl noch mehr aus als befürchtet. Niemand wusste davon, nur Anne. Ich trug als zweiten Namen den meiner Mutter, eine alte Tradition meiner Familie. Mir wurde kalt.
    Â»Schmeiß sie weg«, sagte ich.
    Â»Gefällt sie dir nicht?«
    Â»Schmeiß sie einfach weg!« Ich schrie.
    Kevin blickte verwirrt drein.
    Â»Und lass mich in Ruhe!«
    Ich wandte mich ab, ließ ihn stehen, mit der Blume in der Hand, rannte die Stufen zum Bahnsteig hinauf und schlüpfte durch die sich gerade schließenden Türen der Bahn hindurch.
    Es war wieder ein Bilderbuchsommertag. Die Leute saßen in den Straßencafés, spielten mit ihren Kindern im Park oder gingen einkaufen.
    Ich zog mein Telefon aus der Tasche. Keine Antwort von Anne. Aber das kam sowieso eher selten vor. Anne hatte große Probleme, ihr Telefon zu bedienen, irgendetwas ging dabei immer schief. Das war bei allen technischen Geräten so. Ich war schon stolz auf sie, dass sie inzwischen den Einschaltknopf ihres Computers ohne fremde Hilfe fand. Leider nutzte das nicht viel, denn außer Facebook brauchte sie ihn nie, und vor kurzem hatte sie ihr Passwort vergessen und kam gar nicht mehr rein. Ich musste lächeln. Anne war etwas Besonderes. Manche würden sagen, sie wäre nicht besonders helle. Aber ich kannte sie besser. Sie hatte andere Qualitäten, und die beschränkten sich nicht nur auf ihr gutes Aussehen. Sie konnte zuhören wie sonst niemand auf dieser Welt. Ich konnte ihr stundenlang mein Leid klagen. Sie hörte zu, ohne mich zu unterbrechen. Sie hing an meinen Augen und an meinen Lippen, und am Ende sagte sie nur einen Satz oder ein Wort und all mein Leid, all meine Probleme lösten sich in Luft auf. Sie war eine Heilige. Gesandt vom Himmel, für mich. Es war kein Zufall, dass Anne zwei Jahre zuvor in meine Stadt gezogen war, meine Nebensitzerin wurde – und meine Geliebte. Oh, wie sehr ich sie liebte. Wie nichts sonst auf der Welt. Und es war eine ganz neue Art von Liebe für mich. Ich hatte meinen Stoffhasen geliebt und irgendwann einmal, in einer fernen Vergangenheit, auch meine Eltern. Und

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