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Aschenwelt

Aschenwelt

Titel: Aschenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timon Schlichen Majer
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du?«
    Â»Was hast du denn, Liebes. Hat Dr. Uschasnik …«
    Â»Du hast meinen Stoffhasen weggeworfen!« Ich merkte, wie mir Tränen in die Augen stiegen. Das machte mich noch rasender. Vor meiner Mutter weinen war das letzte, was ich wollte.
    Â»Bitte?«
    Â»Mein Stoffhase! Der war oben in der Kiste, und nun ist er weg, weil du ihn weggeworfen hast!« Mein Kopf platzte fast, meine Augen brannten.
    Â»Nein, Johanna«, sagte sie in ganz ruhigem Ton. »Den habe ich nicht weggeworfen. Den hast du eines Tages verloren. Ich glaube, da warst du acht oder neun Jahre alt.«
    Ich musste mich festhalten, am alten Gläserschrank, mir war übel. Ich erinnerte mich plötzlich. Sie hatte recht. Ich hatte ihn tatsächlich verloren. Alle Bilder dieses schrecklichsten aller Tage stürzten mit Macht über mich herein. Mein Stoffhase war verloren. Unwiederbringlich. Seit Jahren schon.
    Ich atmete ein paar Mal tief durch, richtete mich wieder auf und schrie meine Mutter an, dass sie schuld war, schuld an allem, ich beschimpfte sie so sehr wie nie zuvor, so lange, bis sie weinte. Erst dann war ich zufrieden, ging in mein Zimmer, überlegte es mir, die Tür noch in der Hand, anders, ging wieder hinaus. Ich musste auf meinen Grünstreifen, Lärm, Gestank, Rausch, das brauchte ich jetzt. Meine Mutter stand immer noch da, in Tränen aufgelöst, ein Häuflein Elend. Geschah ihr recht. Ich ließ sie stehen und ging hinaus auf die Straße. Ich fühlte mich leichter. Das schlechte Gewissen stellte sich erst später ein.
    Ich brauchte Anne. Und zwar sofort. Ich schickte ihr eine SMS, mit Treffpunkt Grünstreifen.
    Nein, nicht der Kerl. Nicht heute. Er stand an der Straßenecke zur Bahnstation und wartete auf mich. Wie immer, und das schon seit Wochen. Ein Junge aus meiner Klasse. Er saß zwei Reihen hinter mir und ich spürte ständig seine Blicke in meinem Rücken. Doch seit einiger Zeit reichten ihm diese Blicke nicht mehr. Er begann, mich auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Einerseits fand ich es lustig, es schmeichelte mir, dass jemand so sehr auf mich stand, andererseits machte es mir Angst. Denn er war nicht das, was man gemeinhin einen süßen, hübschen Jungen nannte. Er war riesig. Groß, breit und füllig, nicht sonderlich muskulös, aber bestimmt kräftig, allein aufgrund seiner Masse. Er hatte ständig Sonnenbrand, sogar im Winter schaffte er das, oder er war von Natur aus so rot, vielleicht hatte er zu hohen Blutdruck. Sehr wahrscheinlich hatte er auch zu hohen Samendruck. Er bekam nie ein Mädchen ab. Vielleicht wollte er kein anderes als mich? Davor hatte ich die größte Angst. Keine Ahnung, ob er seine Kraft unter Kontrolle hatte, wenn der Trieb ihn lenkte und ich ihn zurückwies. Bislang war noch nichts geschehen. Er hatte mich noch nicht einmal berührt, er hielt immer einen Sicherheitsabstand.
    Â»Hey, Jo! Alles klar?« Er winkte mir zu, aus seinen Schlabberklamotten heraus, die man sogar ganz cool finden musste. Von seiner Mutter hatte er die, sie arbeitete in meinem Lieblingsklamottenladen. Einen Vater hatte er nicht, der war gestorben.
    Â»Hey! Kevin!«, rief ich mit gespielter Überraschung.
    Â»Sieht voll cool aus.« Kevin zeigte linkisch auf meinen Kopf. Ich blickte ihn verwirrt an.
    Â»Die Haare. Voll geil.« Er grinste.
    Â»Danke.« Ich bemerkte, dass er etwas hinter seinem Rücken versteckte. Ich wurde misstrauisch und ging einige eilige Schritte weiter.
    Â»Hey, Jo! Warte!«, rief Kevin mir hinterher.
    Ich beschleunigte meinen Schritt. Mein Herz pochte schneller, ich begann zu schwitzen. Was auch immer er hinter seinem Rücken versteckt hielt, es war nichts Gutes und machte mir Angst. Ich hörte seinen schweren Atem hinter mir. Meine Augen suchten überall nach Schutz. Irgendjemand musste doch sehen, dass ich verfolgt wurde, dass ich in Gefahr war. Aber sie stierten alle zu Boden, gingen ihrer Wege und bemerkten gar nichts. Ich musste selbst handeln, auf die Hilfe anderer konnte ich nicht hoffen. Ich wandte mich ruckartig zu Kevin um und schrie, dass er mich endlich in Ruhe lassen sollte.
    Er blieb verdutzt stehen und kämpfte damit, sein Gewicht abzubremsen, um nicht in mich hineinzurennen. Er senkte verschämt den Kopf, hielt seine rechte Hand aber immer noch hinter seinem Rücken versteckt.
    Â»Ich will, dass du mich in Ruhe lässt. Okay? Ich will nichts von dir! Ich steh nicht mal

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