Aschenwelt
eine gefangen, wenn ich zu meinen Eltern so frech gewesen wäre.«
»Nadeschda!« Jo hob ihre Hand, um sie auszubremsen. »Wenn ich tatsächlich weiterschreiben sollte und dich das auch lesen lassen soll, dann bitte ich dich, mich mit Fragen und vor allem mit irgendwelchen Wertungen zu verschonen. Okay?«
Nadeschda stutzte, blickte einen Moment unsicher drein und sagte dann: »Okay.«
»Gut. Aber jetzt muss ich echt nach Hause.«
»Darf ich mit?«, fragte Nadeschda. »Ich mein, ich war noch nie bei dir, obwohl wir jetzt doch schon einige Wochen zusammen sind. Da wäre es doch â¦Â«
»Von mir aus. Komm mit.«
»Wow«, sagte Nadeschda. »Cool.« Sie standen im Wohnungsflur und schauten in Jos Zimmer hinein.
»Fällt dir auch mal was neues ein?«, fragte Jo.
Nadeschda schaute sie überrascht an. »Wie meinstn das?«
»Weil du genau das gleiche gesagt hast, als wir in mein altes Zimmer bei meiner Mutter gegangen sind.«
»Echt?«
»Echt.«
Nadeschda kicherte. »Ist ja auch cool. Also beide, dein altes und dein neues Zimmer hier.« Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: »Anne ist so hübsch.«
»Ich mal sie nicht mehr. Sind alles alte Bilder. Noch von damals.«
»Warum nicht mehr?«
»Ein selbsttherapeutischer Versuch, sie endlich loszulassen. Wenn ich sie nicht mehr male, muss ich vielleicht auch nicht mehr die ganze Zeit an sie denken und kann endlich akzeptieren, dass sie nicht mehr bei mir ist.«
»Funktionierts?«
»Ich weià es nicht.« Es funktioniert ganz und gar nicht! Bis heute verging kein Tag, an dem sie nicht an Anne dachte. Meist reichte dafür eine Kleinigkeit, die sie an ihre gemeinsame Zeit mit Anne erinnern lieÃ. Ein Schmetterling auf einer Blume, über dessen Verwandten sich vor vielen Jahren schon Anne und Jo gefreut hatten, ein Wasserkreis, den eine Flasche auf einem Tisch hinterlassen hatte, wie es bei Anne immer war, und viele andere meist ganz alltägliche Dinge.
Die Wohnungstür ging und riss Jo aus ihren Gedanken. »Oh!«, rief sie. »Da kommt Kevin.« Sie war froh, damit möglichen weiteren Nachfragen Nadeschdas aus dem Weg gehen zu können.
»Hey Kevin!«, fing Jo ihren Mitbewohner noch im Flur ab. Sie fiel ihm um den Hals und drückte ihn. Sie hatte ihn tatsächlich vermisst.
Kevin erwiderte die innige BegrüÃung und versuchte, während er Jo umarmte, seine Tasche halbwegs ordentlich an eine Seitenwand zu stellen.
»Lang nicht mehr gesehen!«, sagte er. »Alles gut bei dir?«
»Alles super«, sagte Jo. »Darf ich vorstellen?« Sie trat einen Schritt beiseite, um den Blick auf ihre Freundin freizugeben. »Nadeschda, meine Freundin. Und das ist mein übergewichtiger Mitbewohner Kevin.« Sie tätschelte ihm lachend den Bauch.
»Hey, war teuer.« Kevin schob Jos Hand weg.
»Freut mich.« Nadeschda reichte Kevin die Hand.
Er nahm sie, schüttelte sie kurz und sagte: »Hallo Nadeschda.« Er lächelte als wüsste er nicht, was er sonst sagen sollte, wurde gar ein wenig rot, seufzte einmal tief und wandte sich wieder an Jo. »Hunger?«, fragte er.
»Wie Sau.« Jo wandte sich an Nadeschda. »Du auch? Kevin ist der beste Koch weit und breit.«
»Ich hätt jetzt eher was bestellt«, sagte Kevin. »Bin ziemlich kaputt heute.«
Jo schob ihre Unterlippe vor und schaute Kevin mit schräggestelltem Kopf und bittenden Augen an.
»Na gut«, seufzte Kevin. »Aber nur was Schnelles.«
Jo klatschte vor Freude in die Hände.
»Wegen mir brauchst du dir aber keine Umstände machen«, sagte Nadeschda.
»Wegen mir aber schon!«, sagte Jo.
»Schon gut. Ich koch was.«
»Können wir dir helfen?«, fragte Nadeschda.
»Nein, nein, schon gut, danke.« Damit verschwand Kevin auch schon in der Küche.
»Man geht ihm besser aus dem Weg, wenn er kocht«, flüsterte Jo. »Da ist er ungenieÃbar. Ganz das Gegenteil von dem Essen, das er immer zaubert.« Sie grinste. »Komm, gehn wir in mein Zimmer. Ich muss dir ja noch mein Bett zeigen.« Sie zwinkerte Nadeschda zu.
»Oh!« Nadeschda machte groÃe Augen und kicherte. Jo packte sie an der Hand und zog sie in ihr Zimmer, warf die Tür hinter ihnen zu und schloss ab. Dann schlang sie ihre Arme um Nadeschda und küsste sie.
»Haben wir überhaupt genug Zeit dafür?«,
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